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Eine neue Studie aus Schweden zeigt, dass sich der Ostsee-Hering in den letzten Jahren bemerkenswert entwickelt hat. Die Forschung, die an der Uppsala University durchgeführt wurde, dokumentierte die Entdeckung auffällig großer Heringe nordöstlich von Uppsala. Diese Heringe zeigen ein bis dato unbekanntes Verhalten: Sie ernähren sich aktiv von anderen Fischen.
Die Analyse der Kiemenreusen und Mageninhalte hat ergeben, dass sich eine genetisch unterschiedliche Population des Ostsee-Herings zu Raubfischen entwickelt hat. Beschädigte Kiemenreusen lassen darauf schließen, dass diese Heringe gezielt kleinere Fische fangen und fressen. Das Phänomen ist bislang einzigartig, denn weltweit wurde es nur in der Ostsee beobachtet. Die Forscher führen das ungewöhnliche Verhalten auf einen Mangel an klassischen Raubfischen, wie Makrelen und Thunfischen, zurück, wodurch ein evolutionäres Vakuum entstanden ist, das von den Heringen besetzt wurde. Raub-Heringe sind fast doppelt so groß wie ihre planktonfressenden Verwandten und weisen zudem einen höheren Fettgehalt sowie niedrigere Dioxinbelastungen auf, was sie besonders schmackhaft und gesund macht.
Anpassung der Heringe an die Ostsee
Die Heringe besiedeln die Ostsee bereits seit etwa 10.000 Jahren. Eine Bedeutende Mutation im Sehpigment Rhodopsin ist entscheidend dafür, dass sich die Heringe optimal in ihrem Lebensraum zurechtfinden können. Diese Mutation verändert die Lichtempfindlichkeit der Heringe um etwa zehn Nanometer in den roten Bereich. Dadurch sind die Jungfische in der Lage, Fressfeinde früher zu erkennen.
Die Ostsee unterscheidet sich erheblich vom Nordatlantik: Sie ist flacher, wärmer, nährstoffreicher und hat einen bis zu zehnfach niedrigeren Salzgehalt. Diese besonderen Eigenschaften des Brackwassers verändern die Lichtverhältnisse und lassen das Wasser rötlicher erscheinen. Die genetische Anpassung der Heringe geschah schnell, innerhalb von 23 bis 65 Gengenerationen. Laut den Studienergebnissen, die in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurden, trat die Mutation erstmals vor 42.000 Jahren auf und konnte sich im Atlantik nicht durchsetzen. Diese genetischen Veränderungen sind ein Paradebeispiel dafür, wie sich die Heringe an ihre spezifische Umgebung anpassen konnten.