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Die EU steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Wie geht man mit einem unberechenbaren Verbündeten um?
Ein Paukenschlag aus Washington! US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin über „Frieden in der Ukraine“ sprechen zu wollen – und das möglicherweise bei einem Treffen in Riad, Saudi-Arabien. Ein solches Gipfeltreffen könnte entweder bahnbrechende Ergebnisse liefern oder sich als völliger Flop entpuppen, ganz wie das Treffen in Helsinki 2018. Doch die Auswirkungen dieser Ankündigung sind bereits jetzt spürbar.
Trump hat die Diskussion in Europa über die Abhängigkeit von den USA neu entfacht. Die Vorstellung, dass ein amerikanischer Präsident über geopolitische Fragen in Europa entscheiden könnte, ohne die Europäer zu konsultieren, versetzt vielen in der EU Angst und Schrecken. Die Sorge, allein mit einem feindlichen Russland umgehen zu müssen, ist greifbar.
Die gespaltene europäische Antwort
Die Reaktionen auf diese brisante Situation sind gespalten. Die eine Seite plädiert dafür, die USA noch fester umklammern zu wollen, in der Hoffnung, dass Trump sich nicht zurückzieht. Das bedeutet, seine provokanten Äußerungen zu ignorieren und ihm möglicherweise sogar entgegenzukommen, um sein riesiges Ego zu streicheln.
Um Trump zu besänftigen, gibt es Vorschläge, Zölle auf US-Autos zu senken oder größere Mengen Flüssiggas aus den USA zu importieren. Einig sind sich die europäischen Staaten darin, mehr in die Verteidigung zu investieren, insbesondere in US-Waffen. Besonders an der östlichen Flanke der EU gibt es großen Drang, die F-35, einen hochmodernen Kampfjet von Lockheed Martin, zu erwerben. Polen, Tschechien und Rumänien stehen bereits in der Warteschlange.
Und auch die Ukraine ist Teil dieser Gruppe! Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Trump schon vor dessen Wahl umworben und versucht, den Zugang zu den wichtigen Rohstoffen der Ukraine anzubieten. Doch die jüngsten Entwicklungen haben das Gefühl der Verrats verstärkt, als Selenskyj nicht über Trumps Telefonat mit Putin informiert wurde. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz forderte er eine europäische Einheit und wies die spaltenden Äußerungen von Trumps Vizepräsidenten JD Vance zurück.
Macrons Vision der strategischen Autonomie
Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Stimmen, die ein Ende der europäischen Abhängigkeit von den USA fordern. Ein prominenter Vertreter dieser Meinung ist der französische Präsident Emmanuel Macron. In einem Interview mit dem Financial Times erneuerte er seinen Aufruf zur strategischen Autonomie in wichtigen Bereichen wie Verteidigung und Technologie. Der AI-Gipfel in Paris und die Entschlossenheit der EU, sich in einem zukünftigen Zollkrieg mit den USA zu behaupten, zeigen, dass hier Bewegung in die Sache kommt.
Macron hat sogar die Idee ins Spiel gebracht, europäische Truppen in die Ukraine zu entsenden. Auch wenn er nicht glaubt, dass die EU und das Vereinigte Königreich in der Lage sind, die von Selenskyj genannten 200.000 Soldaten zu entsenden, bleibt die Option für Frankreich auf dem Tisch. Macron sieht in Trumps Initiative eine Chance für Europa, sich als Sicherheitsgarant zu positionieren und die Ukraine könnte dabei als Sprungbrett zur globalen Relevanz dienen.
Doch diese Vision hat ihre Schwächen. Macron ist innenpolitisch angreifbar, und die Frage, wer ihm im Élysée-Palast nachfolgen wird, bleibt offen. Deutschland, das nach den Wahlen am 23. Februar voraussichtlich von der Mitte-rechts CDU regiert wird, ist nicht so kriegerisch eingestellt. Zudem könnte der populistische Druck auf ein starkes Europa die Pläne durcheinanderbringen.
Die europäischen Militärs sind überfordert und stark von den USA abhängig. Die Budgets sind angespannt, was die klassische Frage zwischen Rüstung und sozialen Ausgaben aufwirft. Deutschlands Schuldenbremse, die die CDU offenbar nicht anpacken möchte, macht die Situation nicht besser. Langfristige Bedenken hinsichtlich Produktivitätswachstums und technologischer Entwicklung, die in einem Bericht von Mario Draghi, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, angesprochen wurden, dämpfen die Erwartungen, dass Europa mit den USA und China konkurrieren kann.
Die Abhängigkeit von den USA ist auf Dauer nicht tragbar. Trumps „America First“-Politik wird die Europäer unweigerlich in die Richtung von Macrons Vision drängen. Die Botschaft aus den USA an Putin ist klar: Die alten Regeln und Konventionen der transatlantischen Beziehungen zählen nicht mehr.
Selbst für die hartnäckigsten Befürworter einer engen Bindung an die USA wird es zunehmend zur einzigen praktikablen Option, sich strategisch abzusichern – eine bescheidenere Form der strategischen Autonomie. Es geht darum, das Verhalten der USA so gut wie möglich zu beeinflussen und eine unabhängige Politik zu verfolgen, ohne Rücksicht darauf, was Washington über Themen wie China oder Handelsregulierungen denkt.
Wir dürfen gespannt sein, wie sich diese Dynamik in den kommenden Jahren entwickeln wird, auch über Trumps Amtszeit hinaus.