Aichach-FriedbergUlm

Psychische Erkrankungen: Stigma abgebaut – Hoffnung für Betroffene!

In Aichach-Friedberg wurden die 13. Psychiatrietage mit einem Festvortrag von Claudia Schulz und Chiara Weisshap eröffnet. Das diesjährige Thema lautet: „Wachsen zu sich selbst – Es tut sich was“. Beide Referentinnen leiten das Projekt „Selbst- und Entstigmatisierung – In Würde zu sich stehen (IWS)“ der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm. Im Rahmen der Veranstaltung wurde auf die Schwierigkeiten hingewiesen, mit denen psychisch kranke Menschen konfrontiert sind, insbesondere in Bezug auf Stigmatisierung und Diskriminierung.

Psychisch Erkrankte kämpfen oft nicht nur mit ihrer Erkrankung, sondern auch mit den sozialen Konsequenzen, die diese mit sich bringt. So berichteten die Referentinnen, dass Stigmatisierung zu einem Verlust sozialer Kontakte führen kann und Nachteile in Schule, Ausbildung, Beruf sowie bei Wohnfragen mit sich bringt. Viele Betroffene suchen Hilfe nicht auf, was zur Isolation und einer erhöhten Selbstmordgefahr führen kann. Selbststigma und Scham sind häufige Begleiterscheinungen, die den Umgang mit der Erkrankung zusätzlich erschweren.

Gesellschaftliche Aufgabe der Entstigmatisierung

Schulz wies in ihrem Vortrag auf den Verlust des Selbstwertgefühls hin und beschrieb den sogenannten „Why-Try-Effekt“, der viele Betroffene davon abhalten kann, aktiv nach Hilfe zu suchen. Ebenfalls betroffen von der Stigmatisierung sind Angehörige von psychisch kranken Menschen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist der Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten.

Das Projekt IWS unterstützt Personen dabei, zu entscheiden, ob sie offen mit ihrer Erkrankung umgehen möchten oder nicht. Schulz selbst hat sich für einen offenen Umgang entschieden. Die Eröffnungsveranstaltung bot zudem zahlreiche Infostände, unter anderem von der Beratungsstelle des Landratsamts und Selbsthilfegruppen. Ingrid Haidle, Vorsitzende des Vereins „Kennen und Verstehen“, bedankte sich bei den Besuchern und Bezirkstagspräsident Martin Sailer betonte, dass psychische Erkrankungen keineswegs rückläufig seien. Auch Landrats-Stellvertreter Manfred Losinger und Bürgermeister Roland Eichmann hoben die Wichtigkeit des Vereins hervor und berichteten über psychische Probleme in ihrem Umfeld. Ein weiterer Programmpunkt war die Kreativaktion von 235 Kindern der Grundschule Affing, die Karten und Briefe mit dem Thema „Glücklichsein“ für Senioreneinrichtungen gestalteten.

Die Herausforderungen, denen sich psychisch Erkrankte gegenübersehen, beschränken sich nicht auf das individuelle Erleben. Laut einem Artikel von Ärzteblatt führt Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen häufig zu Ausgrenzung und einem Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit in der Gesellschaft. Viele Betroffene scheuen den Gang zur Therapie aus Angst vor Scham oder der Diagnose, was das Risiko einer Chronifizierung ihrer Erkrankung erhöht.

Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, eine bundesweite Initiative zur Entstigmatisierung, veranstaltet regelmäßig Aktionswochen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus November 2021 sind ebenfalls Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen vorgesehen. Angesichts der Tatsache, dass laut dem „World Mental Health Report“ der WHO fast eine Milliarde Menschen weltweit an psychischen Erkrankungen leiden, sind verstärkte Anstrengungen notwendig, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern und Diskriminierung abzubauen. Die Lancet Commission on Ending Stigma and Discrimination in Mental Health hat Empfehlungen ausgesprochen, um die Stigmatisierung zu reduzieren und den Kontakt zwischen Betroffenen und nicht Betroffenen zu fördern.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten Regierungen Richtlinien zur Entstigmatisierung umsetzen, insbesondere in der Praxis des Suizid und im Bereich der Suizidprävention. Die Bundesärztekammer hat in der Debatte um ärztliche Suizidhilfe psychische Erkrankungen als häufige Ursache angeführt und gefordert, dass Suizidprävention in den Vordergrund gerückt werden muss. Schulungen für Gesundheits- und Sozialdienstleister, Unterrichtspläne zur Förderung des Verständnisses für psychische Erkrankungen in Schulen und Programme, die psychisch kranken Mitarbeitern die Rückkehr an den Arbeitsplatz erleichtern, sind weitere wichtige Schritte.

Die Medien spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle, indem sie stigmatisierende Inhalte vermeiden und Grundsatzerklärungen sowie Aktionspläne veröffentlichen. Die Herausforderungen bleiben also vielfältig, jedoch zeigen sowohl die Psychiatrietage als auch die Initiativen zur Entstigmatisierung, dass das Bewusstsein für diese Problematik wächst.