
Josef Kraus, der ehemalige Präsident des Deutschen Lehrerverbands, hat kürzlich in einem Interview äußerst kritische Äußerungen über das deutsche Bildungssystem getätigt. Nach 30 Jahren in dieser Position beobachtet er einen dramatischen Rückgang der Ansprüche im Bildungssystem. In Bezug auf die PISA-Studien spricht er von einem „Pisa-Schwindel“ und kritisiert die falschen Schlüsse, die aus diesen Erhebungen gezogen werden. Kraus hebt hervor, dass viele Jugendliche unter einem „geografischen und historischen Analphabetismus“ leiden. Er merkt an, dass das frühere Gütesiegel „Qualified in Germany“ heute nicht mehr gilt und das Bildungssystem stattdessen in einem schlechten Zustand sei.
Kraus betrachtet insbesondere den Wegfall des Diplom-Systems und die Pseudoakademisierung durch Bachelor-Studiengänge als problematisch. Zum Beispiel haben die Abiturdurchschnittswerte in Bayern mit 2,2 ein Niveau erreicht, das früher als Spitzenabitur angesehen wurde. Er betont, dass bessere Noten nicht zwangsläufig mit besseren Leistungen gleichzusetzen sind. Dies ist ein Resultat der veränderten Lehrpläne, in denen bestimmte Themen weniger detailliert behandelt werden und mündliche Leistungen gleichwertig zu schriftlichen Leistungen zählen, was die Noten beeinflusst.
Kritik an den PISA-Tests
Kraus verweist zudem auf die „empirische Wende“ und die Problematisierung durch die PISA-Tests, die dazu geführt haben, dass nicht messbare Bereiche im Lehrplan abgewertet wurden. Bereiche wie Fremdsprachen, literarisches Wissen, Kreativität sowie kulturelles, geografisches, historisches und politisches Wissen fehlen in den Pisa-Erhebungen. Zudem fordert Kraus eine Stärkung der beruflichen Bildung und eine Erhöhung der Ansprüche, um die Qualität zu verbessern.
Ein weiterer Aspekt, den Kraus anspricht, ist die Zuwanderungspolitik und deren Einfluss auf das Bildungssystem, insbesondere den hohen Migrationsanteil in Grundschulen. Er schlägt vor, Sprachstandstests vor der Einschulung durchzuführen, um Kinder mit Sprachschwierigkeiten in speziellen Sprachlernklassen zu unterstützen. Der Lehrermangel wird als ernstes Problem angesehen, das in den kommenden Jahren verstärkt auftreten wird. Darüber hinaus spricht sich Kraus gegen die Nutzung von Smartphones und Laptops im Unterricht vor der 5. oder 6. Klasse aus, da er der Meinung ist, Respekt vor Lehrern hängt auch von der Lehrerschaft ab, die eine natürliche Autorität besitzen sollte.
Ein jüngster Bericht über die PISA-Studie 2022 bestätigt einige der von Kraus geäußerten Bedenken. Die PISA-Studie testet die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen. An der Studie nahmen 690.000 Schüler aus 81 Ländern und Regionen teil. Die Ergebnisse der PISA-Studie 2022 zeigen, dass die Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften in Deutschland auf das niedrigste Niveau seit dem Beginn der Erhebungen gesunken sind. Dies geschah trotz der Tatsache, dass die meisten Teilnehmerstaaten einen Rückgang der Leistungen verzeichneten, wobei die COVID-Pandemie als einer der Faktoren genannt wird.
Vor der Pandemie war bereits ein allgemeiner Rückgang der durchschnittlichen Kompetenzen in vielen OECD-Staaten festzustellen, auch in Deutschland. Die durchschnittlichen Punktzahlen 2022 in den einzelnen Bereichen sind alarmierend: Mathematik 475, Lesen 480 und Naturwissenschaften 492. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Handlungsbedarf besteht, um das Bildungssystem zu reformieren und zukunftssicher zu machen, wie fr.de berichtete und die PISA-Studie 2022 von destatis.de belegt.