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Gießen ohne Schutzräume: Wie sicher sind wir im Krisenfall?

In Gießen stehen über 30 betriebsbereite Sirenen sowie verschiedene digitale Warnmedien zur Verfügung, um die Bevölkerung im Katastrophen- oder Kriegsfall zu warnen. Bei einem Luftangriff wird die Bevölkerung aufgefordert, sich in Keller, Unterführungen oder andere geschützte Orte zu begeben, da es in der Stadt keine öffentlichen Zivilschutzbunker mehr gibt.

Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher stellte im Stadtparlament klar, dass es in Gießen keine öffentlichen Schutzräume gemäß §7 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes gibt. Der Rückgang des Zivilschutzes wird auf die „Friedensdividende“ zurückgeführt, die nach dem Fall der Mauer und der Auflösung des Warschauer Pakts in den 1990er Jahren entstand. Im Jahr 2007 fiel die Entscheidung, das Schutzbaukonzept aufzugeben und die Erhaltung öffentlicher Schutzräume einzustellen.

Situation der Schutzräume in Gießen

Obwohl es einige alte Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg gibt, befinden sich diese überwiegend in privater Hand und sind nicht mehr für Schutzzwecke geeignet. Informationen über den Zustand und die Zugänglichkeit dieser alten Räume sind der Stadt nicht bekannt. In den ehemaligen Kasernengebäuden im Europaviertel sollten Schutzräume vorhanden sein, und unter dem Bahnhofsareal könnte sich ein größerer Zivilschutzbunker aus der Nachkriegszeit befinden, der in früheren Plänen verzeichnet war.

Angesichts des Ukrainekriegs und möglicher Konflikte zwischen der NATO und Russland wird ein verstärkter Fokus auf den Zivilschutz gefordert. Laut einem Dokument des Bundesinnenministeriums sind Investitionen von etwa 30 Milliarden Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre für den Zivilschutz erforderlich. Zudem wird die Luftabwehr als zweite Säule des Bevölkerungsschutzes betrachtet, deren Gewährleistung Aufgabe der Bundeswehr ist. Das letzte Flugabwehrsystem in Gießen, eine Batterie „Patriot“-Raketen, wurde Anfang der 1990er Jahre abgezogen und nach Israel verlegt.

Zusätzlich hat sich der Zivilschutz seit den 1960er Jahren erheblich verändert, wie die Webseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) beschreibt. Ursprünglich lag der Fokus auf der Bedrohung durch einen nuklearen Krieg, während heutige Herausforderungen unter anderem den Klimawandel, Terrorismus und Cyber-Attacken umfassen.

Die Strukturen des Zivilschutzes wurden ab 1989 im Zuge der Friedensdividende zurückgefahren, was beispielsweise den Abbau des Sirenennetzes zur Folge hatte. Das BBK ist seit 2004, nach den Ereignissen des 11. September 2001 und der Jahrhundertflut 2002, ein zentrales Kompetenzzentrum für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Deutschland. Es arbeiten etwa 360 Mitarbeiter in Bonn und Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Für den Bevölkerungsschutz ist die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger entscheidend, und das BBK gibt dazu Ratgeber und Empfehlungen heraus. Die Rückbesinnung auf den Zivilschutz seit 2016 zeigt den wachsenden Bedarf an einem zuverlässigen System im Bevölkerungsschutz, das eng mit Ländern, Feuerwehren und Hilfsorganisationen zusammenarbeitet.