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Anke Brügmann, die Vorsitzende der Haiti-Hilfe Pwojè men kontre, plant Ende Januar 2025 eine Rückkehr nach Haiti. Der Hilfsverein informierte in einem Rundschreiben über die aktuelle Situation im Land, das stark von Bandengewalt betroffen ist, insbesondere in der Hauptstadt Port-au-Prince. Im restlichen Haiti kämpfen die Menschen mit Versorgungsschwierigkeiten und steigenden Preisen. Der Hilfsverein sucht außerdem einen neuen Kassierer in Deutschland.
Die Lage in Haiti hat sich in letzter Zeit erheblich verschlechtert. Laut einer Analyse auf globalinitiative.net ist seit Oktober 2024 eine erneute Welle von Gewalt zu beobachten. Zuvor gab es zwischen Mai und September 2024 eine Phase relativer Ruhe mit einem Rückgang von Gangangriffen und Morden. Doch nach einem Massaker des Gran Grif-Gangs in der Artibonite-Region am 3. Oktober 2024 eskalierten die Gewalttaten erneut.
Zunahme der Gewalt und politische Instabilität
Gangs, die in der Viv Ansanm-Koalition vereint sind, haben ihre Angriffe wieder verstärkt, insbesondere in und um Port-au-Prince sowie auf wichtigen Land- und Seewegen. Schätzungen zufolge wurden seit dem 11. November 2024 etwa 40.000 Menschen aus der Hauptstadt vertrieben. Zudem haben die Gangs die Kontrolle über Solino und die Gemeinde Pétion-Ville übernommen, die als Zentrum politischer und wirtschaftlicher Macht in Haiti gilt.
Die politischen Konflikte zwischen dem Transitional Presidential Council und Premierminister Gary Conille, der am 11. November 2024 abgesetzt wurde, haben zur weiteren Unsicherheit beigetragen. Alix Didier Fils-Aimé wurde als neuer Premierminister eingesetzt, während Leslie Voltaire, der rotierende Präsident des Transitional Presidential Council, während einer Untersuchung wegen Amtsmissbrauchs installiert wurde. Doch der Council hat seitdem keine Fortschritte bei der Bildung des Electoral Council oder bei einer Verfassungsreform gemacht.
Die Reaktion der Behörden auf die anhaltende Gewalt wird als apathisch wahrgenommen, was den Eindruck eines institutionellen Vakuums verstärkt. Jimmy Chérizier, der Sprecher der Viv Ansanm-Koalition, kritisierte die Unfähigkeit der haitianischen Behörden und forderte den Rücktritt des Transitional Presidential Council. Die Multinational Security Support Mission in Haiti verfügt über ein Budget von 96 Millionen US-Dollar, was im Vergleich zu den geschätzten 600 Millionen US-Dollar, die für eine effektive Unterstützung benötigt werden, als unzureichend erachtet wird.
Aktuell kontrollieren die Gangs 85 % von Port-au-Prince, ohne dass bedeutende Gebiete zurückerobert oder führende Gangmitglieder gefasst wurden. Zudem häufen sich Berichte über Missbrauch durch haitianische Polizeibeamte. Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat am 19. November 2024 aufgrund von Bedrohungen durch Polizeibeamte und Selbstverteidigungsbrigaden ihre Aktivitäten in Haiti eingestellt. Die Zahl der Selbstverteidigungsgruppen ist in diesem Jahr gestiegen, was das Vertrauen der Bürger in die Polizei untergräbt. In diesem Jahr wurden in Haiti insgesamt 4.544 Morde registriert, sodass ein dringender Bedarf an klaren Governance-Strukturen und internationaler Unterstützung besteht.