
Wolf Biermann, ein 88-jähriger Liedermacher, hat in einem Interview mit der Apotheken Umschau über seine traumatischen Erfahrungen während des Krieges gesprochen. Biermann, der sowohl Krieg als auch zwei Diktaturen erlebte, beschreibt Angst als ein zentrales Thema in seinem Leben. Als Kind überlebte er den verheerenden Bombenangriff auf Hamburg im Juli 1943, bei dem 40.000 Menschen starben, weil seine Mutter ihn in einen Kanal rettete.
Sein Vater, Dagobert Biermann, wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet. Im Jahr 1953 floh Biermann in die DDR, um den Kommunismus aufzubauen, wie es der Wunsch seiner Mutter war. Schnell wurde er jedoch als aufmüpfiger Genosse wahrgenommen und erhielt 1965 ein Arbeits- und Auftrittsverbot in der DDR. In den Jahren bis zu seiner Ausbürgerung 1976 wurde Biermann von 213 Spitzeln ausspioniert. Trotz dieser Erfahrungen bezeichnet er sich nicht als Pazifisten, sondern glaubt an „richtigen und falschen Frieden“. Er hat einen tiefen Glauben an die Menschen, den er als „verrückter als den Glauben an Gott“ beschreibt.
Biermanns Reflexionen über Schuld und Zerstörung
In einem weiteren Interview mit dem Spiegel reflektiert Biermann über die deutsche Literatur und die emotionalen Aspekte des Luftkriegs. Er wirft einen kritischen Blick auf die Schuldfrage unter Deutschen, viele von denen eine „schuldlose Schuld“ tragen, weil sie entweder Verbrecher waren oder nichts unternommen haben. Dabei diskutiert er Ereignisse wie die Bombardierung von Städten, einschließlich Dresden und Hiroshima. Während er die Zerstörung Dresdens bedauert, äußert er, dass die Bomben besser gegen Gaskammern und Transportwege für Todeszüge hätten eingesetzt werden sollen.
Biermann stellt die provokante Frage, ob Schrecken anders als dokumentarisch oder autobiografisch beschrieben werden können. Er argumentiert, dass große Schriftsteller auch über schreckliche Dinge schreiben sollten, unabhängig von persönlichem Leid. Zudem kritisiert er die Idee eines Erzähltabus für das „Tätervolk“ und betont die Notwendigkeit von emotionaler Begeisterung für das Schreiben. Er schließt mit der Erkenntnis, dass Menschen aus schwierigen Verhältnissen oft menschlicher werden können als diejenigen, die für „die richtige Seite“ kämpfen.