
In Deutschland landen jährlich rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, viele davon sind noch genießbar. Besonders in großen Städten wie Berlin ist die Lebensmittelverschwendung eklatant. Der Online-Supermarkt Motatos, der 2014 in Stockholm gegründet wurde, hat sich auf die Fahnen geschrieben, verlorengegangene Lebensmittel in Deutschland und Österreich zu retten und anzubieten. Motatos verkauft Produkte, die oft abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdaten (MHD), Schönheitsmakel oder eine Überproduktion aufweisen. Dominique Ertl, die Geschäftsführerin von Motatos für Deutschland und Österreich, beschreibt das Unternehmen als eine Plattform für Lebensmittel, die sonst nicht in den Supermarkt gelangen.
Das Sortiment des Unternehmens umfasst alltägliche sowie ausgefallene Produkte von kleinen Marken. Die Lieferung erfolgt deutschlandweit bis vor die Haustür, wobei zu beachten ist, dass das Angebot nicht ausreicht, um einen kompletten Wocheneinkauf zu decken, da frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse nicht verfügbar sind. Motatos verfolgt das langfristige Ziel einer Welt ohne Lebensmittelverschwendung. Ertl betont die Bedeutung von Bildung in Bezug auf Lebensmittel und Nachhaltigkeit, insbesondere für ältere Generationen. Ein besseres Verständnis des Mindesthaltbarkeitsdatums könnte erheblich zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung beitragen.
Politische Forderungen und globale Auswirkungen
Mit 8 bis 10 Prozent der globalen Treibhausgase, die durch Lebensmittelverschwendung verursacht werden, ist jeder Einzelne gefordert, weniger wegzuwerfen und die eigenen CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ertl appelliert an die Politik, rechtlich bindende Ziele sowie mehr Transparenz zu schaffen, um Supermärkte zum Handeln zu bewegen. In der gesamten Europäischen Union werden jährlich 60 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet, was einen Wert von 132 Milliarden Euro entspricht. Dies sind signifikante Zahlen, die verdeutlichen, wie dringend das Problem angegangen werden muss.
Zusätzlich müssen verbindliche nationale Ziele zur Verringerung von Lebensmittelverschwendung entlang der Produktionskette etabliert werden. Die Pläne der EU sehen vor, Lebensmittelabfälle bis 2030 um mindestens 20 Prozent in der Produktion und Verarbeitung und um 40 Prozent im Handel sowie in Haushalten zu reduzieren. Es gibt Überlegungen, für 2035 ambitioniertere Ziele zu setzen. Rund 25 Prozent der in Deutschland verlorenen oder verschwendeten Lebensmittel erreichen nie einen Privathaushalt. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen verpflichtet werden, über ihre Verluste zu berichten.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) verursacht häufig Missverständnisse; Ertl empfiehlt, es abzuschaffen und durch das Produktionsdatum zu ersetzen. Verbraucher:innen sollten besser informiert werden und ermutigt werden, stärker auf ihre Sinne zu vertrauen. Zudem müssen Investitionen in die Kreislaufwirtschaft staatlich gefördert werden, um Unternehmen gesetzlichen Verpflichtungen zur Spende oder zum Weiterverkauf überschüssiger Lebensmittel zu unterstellen. Als größte Volkswirtschaft Europas sollte Deutschland eine Führungsrolle einnehmen, um die festgelegten Ziele zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu erreichen, wie [Berlin Live](https://www.berlin-live.de/freizeit/shopping/supermarkt-berlin-unsitte-motatos-lebensmittelverschwendung-mhd-deutschland-tadellos-weggeschmissen-lebensmittel-id374481.html) berichtete.
Laut [Motatos](https://www.motatos.de/stories/spotlight/kampf-gegen-lebensmittelverschwendung-deutschland-als-vorreiter) besteht ein dringender Bedarf an einer aktualisierten nationalen Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen, da die bisherigen Ziele hinter den 50-Prozent-Zielen der UN-Nachhaltigkeitsagenda zurückbleiben. Obwohl im Europaparlament im März 2024 ambitioniertere Ziele diskutiert wurden, bleibt die deutsche Politik gefordert, entschlossener zu handeln, um sowohl die wirtschaftlichen als auch die ökologischen Kosten der Lebensmittelverschwendung signifikant zu senken.