
In einem großen Missbrauchsprozess wird heute ein Urteil im Fall von Wilfried Fesselmann erwartet. Der 56-jährige Mann aus Gelsenkirchen erstrebt Schmerzensgeld gegen das Bistum Essen, nachdem er als 11-jähriger Messdiener im Jahr 1979 von einem Priester sexuell missbraucht wurde. Fesselmann leidet bis heute unter Angststörungen und ist alkoholabhängig geworden. Er fordert ein Schmerzensgeld von mindestens 300.000 Euro, da die Tat strafrechtlich verjährt ist.
Der Prozess, der vor drei Wochen begann, hat bereits zu einer teilweise eingestandenen Schuld des 77-jährigen Priesters geführt, der vorgeladen wurde. Das Bistum Essen hat erklärt, dass es sich der Klage stellen wird, obwohl rechtlich die Möglichkeit bestand, die Klage zurückzuweisen. Der heutige Urteilsspruch erfolgt um 12 Uhr.
Hintergrund des Falls
Fesselmann berichtet, dass er von dem ehemaligen Kaplan Peter H. in dessen Dienstwohnung in Essen sexuell missbraucht wurde, was gravierende Auswirkungen auf sein Leben hatte. Der laufende Prozess behandelt nicht die strafrechtliche Verfolgung, da die Tat verjährt ist, sondern es wird darüber verhandelt, in welchem Umfang das Bistum als Arbeitgeber haftbar gemacht werden kann. Fesselmann hat bereits 45.000 Euro Schmerzensgeld aus einem kirchlichen Fonds erhalten, empfindet dies jedoch als unzureichend.
Seine Forderung von mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld basiert auf einem Vergleichsfall aus Köln, in dem einem anderen ehemaligen Messdiener diese Summe zugesprochen wurde. Das Landgericht Köln hatte in einem anderen Fällen eine Verantwortung der Kirche für sexualisierte Gewalt durch ehrenamtliche Mitarbeiter festgestellt. Das Gericht könnte auch die Entscheidung im aktuellen Fall vertagen, um ein weiteres Gutachten einzuholen.
Peter H. erschien überraschend persönlich vor Gericht und äußerte sich zu den Vorwürfen. Für Fesselmann war es das erste Mal nach 45 Jahren, dass er H. wieder sah. Das Gericht hielt Fesselmanns Aussage über den Oralverkehr für glaubwürdig. H. gestand, sich mit Fesselmann nackt ins Bett gelegt zu haben, bestritt jedoch den Oralverkehr und verwies auf Erinnerungslücken. Bekannt ist, dass H. als Serientäter gilt und wegen wiederholter Übergriffe über Jahrzehnte hinweg in Deutschland versetzt wurde. Er soll insgesamt dutzende Kinder missbraucht haben, unter anderem in Bottrop und Bayern, und wurde 2010 aus dem kirchlichen Dienst entfernt.
Fesselmann und ein weiteres Missbrauchsopfer haben 2022 einen Gedenkstein für die Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche vor der St. Cyriakus-Kirche in Bottrop installiert. Die Initiatoren möchten auf das Leid der Betroffenen aufmerksam machen und sich für mehr Aufklärung und Prävention einsetzen.