Reil78: Ein bunter Zufluchtsort für kreative Köpfe und Andersdenker
In Halle hat sich das besetzte Haus in der Reilstraße 78, bekannt als „Reil78“, in ein lebendiges soziales und kulturelles Zentrum verwandelt. Ursprünglich am 16. Juni 2001 besetzt, wurde es als ein Ort konzipiert, an dem Menschen mit unterschiedlichen Ideen zusammenkommen können, um ihre Vorstellungen von einem selbstverwalteten Raum zu verwirklichen. Die Besetzung war ein Akt des zivilen Ungehorsams, um die Missstände in der Gesellschaft anzuprangern und ein Zeichen für alternative Lebensformen zu setzen. Laut [MDR Sachsen-Anhalt](https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/reil-achtundsiebzig-reilstrasse-besetzung-100.html?womort=Sachsen-Anhalt) ist die Fassade des Hauses bunt und mit Sprüchen versehen, die klarstellen, wer hier nicht willkommen ist: Polizei, Sexisten und Neonazis haben keinen Platz.
Das „Reil78“ ist ein offenes Projekt, das sich durch eine Willkommenskultur auszeichnet. Jeder, der eine kreative Idee hat, kann sich ans Plenum wenden, um Veranstaltungen wie Filme, Vorträge oder Konzerte zu organisieren. Arthur, ein Mitglied des Projekts, erklärt: „Wer einen Film zeigen oder einen Vortrag, ein Konzert oder ähnliches organisieren möchte, kann sich ans Plenum wenden.“ Die Entscheidungen über die Veranstaltungen werden im Plenum getroffen, was bedeutet, dass jeder eine Stimme hat und die Meinungen respektiert werden. Diese basisdemokratische Struktur ist ein zentraler Bestandteil des Projekts.
Ein sicherer Hafen für Vielfalt
Das „Reil78“ bietet nicht nur Raum für kreative Projekte, sondern auch einen Schutzraum für Menschen, die sich in ihrer Umgebung verfolgt fühlen. Robin, ein langjähriges Mitglied, erinnert sich an die Anfänge: „Ich habe Freunde mitgenommen, und für die Leute war es unglaublich wichtig, in einen antifaschistischen Raum zu kommen.“ Die Erinnerungen an die „Baseballschlägerjahre“ der 1990er Jahre, als Neonazis durch die Straßen zogen, sind noch frisch. Das Haus hat sich zu einem Ort entwickelt, an dem politische Diskussionen geführt werden können, ohne dass jemand ausgegrenzt wird. Sabrina, eine weitere Bewohnerin, beschreibt das „Reil78“ als einen Ort, an dem man sich künstlerisch ausleben und handwerklich tätig werden kann.
Die Gemeinschaft im „Reil78“ ist geprägt von einem klaren Bekenntnis gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus. Rosa, ein weiteres Mitglied, betont: „Wer sich hier ausprobiert, kann sich selbst finden.“ Aus dem ehemals besetzten Haus sind bereits größere Projekte entstanden, wie die Mobile Opferhilfe, die mittlerweile als eigenständiger Verein agiert. Das „Reil78“ hat sich als ein Ort etabliert, an dem Menschen neue Fähigkeiten erlernen und Erfahrungen sammeln können, die über die Grenzen des Alltags hinausgehen.
Herausforderungen und Veränderungen
In den letzten sieben Jahren hat das „Reil78“ zahlreiche Herausforderungen gemeistert. Die Auseinandersetzungen mit der Stadt und verschiedenen Behörden haben das Projekt geprägt. Die anfängliche Freude über die Besetzung und die Möglichkeit, einen Raum ohne Zwänge zu nutzen, wurde durch bürokratische Hürden und finanzielle Belastungen überschattet. Die Notwendigkeit, Miete zu zahlen und sich an gesetzliche Vorgaben zu halten, hat die Dynamik des Projekts verändert. Laut [Reil78.de](https://reil78.de/7-jahre-reilstrasse-78-selbstreflexion/) mussten die Verantwortlichen lernen, mit den Anforderungen der Stadt umzugehen, was oft zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führte.
Die finanzielle Situation des Projekts bleibt angespannt. Die Einnahmen aus Veranstaltungen und Spenden sind oft nicht ausreichend, um die laufenden Kosten zu decken. Benefizveranstaltungen sind notwendig geworden, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Trotz dieser Herausforderungen bleibt das „Reil78“ ein Ort der Begegnung und des Austauschs, an dem Menschen weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Ideen zu verwirklichen und sich aktiv in die Gemeinschaft einzubringen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das „Reil78“ in Halle mehr ist als nur ein besetztes Haus. Es ist ein lebendiges Zentrum für soziale und kulturelle Aktivitäten, das sich den Herausforderungen der Zeit stellt und gleichzeitig einen Raum für Vielfalt und Kreativität bietet. Die Geschichte des „Reil78“ ist ein Beispiel dafür, wie aus einem Akt des zivilen Ungehorsams ein Ort der Hoffnung und des Wandels entstehen kann.