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Gerda und Werner Wolff aus Hamburg feiern ihre bemerkenswerte Ehe, die im Jahr 1949 begann. Die beiden, die mittlerweile 95 und 100 Jahre alt sind, reflektieren voller Zufriedenheit auf ihre lange gemeinsame Zeit, die sie als großes Glück empfinden. Ihre ersten Verabredungen fielen in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Hamburg. Gerda Wolff, geboren am 30. Juni 1929 in Hamburg, wuchs in Eimsbüttel auf und erlebte die Zerstörung ihres Wohnhauses während der Luftangriffe im Krieg. Werner Wolff erblickte am 4. Juli 1924 in Hamburg-Barmbek das Licht der Welt. Er diente im Reichsarbeitsdienst und kämpfte an der Front in Russland. Nach dem Krieg wurde er Zeuge der Zerstörung Hamburgs und der Notlage der Nachkriegszeit.
Gerda und Werner lernten sich während ihrer Ausbildungszeit bei der Hamburger Sparkasse kennen. Als Sie 1949 heirateten, war Gerda erst 19 Jahre alt und benötigte die Zustimmung ihrer Mutter als Vormund. Ihr Hochzeitsessen bestand aus einem Carepaket mit Lebensmitteln aus Amerika. In ihren bescheidenen Verhältnissen lebten sie in einer Ein-Zimmer-Wohnung, wo sie eine Metallschatulle als Erinnerungsstück aufbewahrten. Während der Nachkriegszeit verzichteten sie auf den Kauf von Butter, da diese zu teuer war. Die Wolffs wurden Eltern von zwei Töchtern, Andrea (1959) und Anke (1964), und mussten sich in ihrem Alltag anpassen. Differenzen in ihrer Ehe wurden offen besprochen, Geld war nie ein Streitpunkt. Ihr Trauspruch „Der eine trage des anderen Last“ gilt für sie bis heute.
Gesellschaftliche Veränderungen in der Nachkriegszeit
Die Ehe von Gerda und Werner ist Teil eines größeren historischen Kontexts, der die gesellschaftlichen Veränderungen in der Nachkriegszeit widerspiegelt. Laut einem Bericht über die Ehe- und Scheidungsrealitäten dieser Zeit gab es in den 1950er Jahren einen Rückschritt in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Obwohl Frauen während des Wiederaufbaus vielfältige berufliche Aufgaben übernahmen, wandelte sich deren gesellschaftliche Rolle zurück zur Hausfrau. Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes von 1949 gewährte Frauen zwar rechtliche Gleichberechtigung, jedoch blieb die verbreitete Auffassung bestehen, dass Männer die Hauptverdiener sein sollten.
In dieser Zeit konnten Ehemänner die Arbeitsverträge ihrer Frauen ohne deren Wissen für nichtig erklären, und Frauen waren oft nicht vor Ungerechtigkeiten geschützt. Trotz Fortschritten in der rechtlichen Lage während der 50er Jahre blieben erwerbstätige Frauen weiterhin für den Haushalt verantwortlich, was häufig zu Überarbeitung führte. Eine Umfrage aus dieser Zeit zeigte, dass nur eine Minderheit die Gleichberechtigung in den Pflichten befürwortete. Das Heiratsalter sank in den 60er Jahren, was auch den gesellschaftlichen Druck widerspiegelt, der mit dem Hochzeitsideal verbunden war, da Ehen materielle Absicherung und Unabhängigkeit von den Eltern boten. In den 50ern betrug die Scheidungsrate 16,9%, ein Zeichen der Belastungen, die viele Ehen aufgrund des Krieges und der Nachkriegszeit erlitten.
Die Geschichten von Gerda und Werner Wolff stehen damit nicht isoliert, sondern sind Teil eines breiten Spektrums an Erfahrungen und gesellschaftlichen Wandlungen in einer prägnanten historischen Phase.