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In Bonn hat heute der Prozess gegen den Kinderpsychiater Michael Winterhoff begonnen. Vor dem Bonner Landgericht wird ihm in insgesamt 36 Fällen gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Winterhoff war in Rheinland-Pfalz tätig und arbeitete unter anderem in Heimen im Kreis Ahrweiler und Westerwald. Die Vorwürfe basieren auf einer WDR-Dokumentation, die mehrere Betroffene ermutigte, sich zu melden. Sie alle wurden als Kinder und Jugendliche von ihm behandelt und klagen über schwere Nebenwirkungen der von ihm verschriebenen Psychopharmaka, welche sedierend wirken können.
Die Anklage wirft Winterhoff vor, über einen Zeitraum von 2004 bis 2021 gefährliche Medikamente verschrieben zu haben, um Kinder gefügig zu machen für die autoritären Erziehungsmethoden, die er den Erziehungsberechtigten empfahl. Laut dem Opferanwalt leiden viele der Betroffenen bis heute unter Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewegungssteifheit und erheblichen Gewichtszunahmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit mehreren Jahren und hat 15 Kinderhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen durchsucht. Dabei wurden Patientenakten und weiteres Beweismaterial sichergestellt.
Hintergrundinformationen über Winterhoffs Behandlungsmethoden
Michael Winterhoff arbeitete häufig mit Jugendhilfeeinrichtungen und stellte oft die umstrittene Diagnose „frühkindlicher Narzissmus“, eine Einschätzung, die weder wissenschaftlich anerkannt noch medizinisch haltbar ist. Er empfahl in vielen Fällen die Unterbringung von Kindern in Heimen, mit denen er kooperierte. Über seine Praxis berichteten auch ehemalige Patienten. So beschrieb die 17-jährige Lara, die seit ihrem siebten Lebensjahr in einem Heim war, dass sie jahrelang mit dem Medikament Pipamperon behandelt wurde, ohne dass ihre Mutter über die möglichen Nebenwirkungen informiert wurde.
Die Auswirkungen dieser Medikation seien für sie ein emotionaler Verlust gewesen, so Lara. Auch Benjamin Klömpken, ein weiterer ehemaliger Patient, leidet nach zehn Jahren der Behandlung an chronischer Müdigkeit und plant, im Prozess gegen Winterhoff auszusagen. Laut der Anklage und Berichten haben rund 29% der Behandlungsfälle von Winterhoff das Medikament Pipamperon verschrieben bekommen. Der Prozess ist auf insgesamt 40 Verhandlungstage bis Ende Juli 2025 angesetzt, wobei ein Urteil bereits Ende Juli fallen könnte.
Winterhoff bestreitet die Vorwürfe und betont, dass die Medikamente nur bei medizinischer Notwendigkeit verschrieben wurden. Gleichzeitig argumentiert er, dass seine Medikation Teil einer umfassenden Behandlung war und es keine Beweise für Schäden durch seine Vorgehensweise gibt. Ab dem 12. Februar 2025 wird zudem die dreiteilige Dokuserie „Der Kinderpsychiater – Die Macht des Dr. Winterhoff“ in der ARD-Mediathek verfügbar sein.
Für detailliertere Informationen über diesen Fall und die beteiligten Personen verweisen wir auf die Artikel von tagesschau.de und WDR.