Karlsruhe

Richtungsweisendes Urteil: Jobcenter muss Bürgergeld zurückzahlen!

In einem wegweisenden Urteil hat das Sozialgericht Karlsruhe entschieden, dass das Jobcenter einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Tochter das Bürgergeld zu Unrecht entzogen hat. Der Fall, der die Rechte von Leistungsberechtigten betrifft, wirft Fragen zu den Ermessensspielräumen der Sozialbehörden auf und kritisiert deren Vorgehensweisen.

Die Klägerin und ihre Tochter lebten in einer 62 Quadratmeter großen Wohnung und erhielten vom Jobcenter über einen Zeitraum von elf Monaten, von November 2021 bis Oktober 2022, Bürgergeld in Höhe von 610,64 Euro. Ihre monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich auf 460 Euro. Nachdem die Mutter dem Jobcenter im Januar 2022 Kontoauszüge und Informationen über den Erhalt von Unterhalt vorgelegt hatte, forderte das Jobcenter diese Informationen in detaillierterer Form an und verlangte zudem ein entsprechendes Formular für Leistungsberechtigte mit Unterhaltsbezug.

Jobcenter zieht Leistungen zurück

Die Klägerin hatte die Kontoauszüge allerdings mit geschwärzten Kontoständen eingereicht, was schließlich dazu führte, dass das Jobcenter am 3. Mai 2022 die Leistungen rückwirkend für den Zeitraum vom 1. April 2022 bis zum 31. Oktober 2022 einstellte. Die Begründung für diesen Entzug war die unzureichende Mitwirkung der Mutter bei der Vorlage der geforderten Unterlagen. Ein Widerspruch seitens der Klägerin wurde nur teilweise akzeptiert, während ihre laufenden Leistungen weiterhin entzogen blieben.

Ein Eilantrag beim Sozialgericht Karlsruhe wurde zunächst abgelehnt, doch im Hauptverfahren gab das Gericht der Klägerin Recht und stellte fest, dass das Jobcenter seine Ermessensentscheidungen überschritten hatte. Es kritisierte zudem die rundum nicht gerechte Behandlung der Klägerin und wies darauf hin, dass Sanktionen von mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs ohne eine mündliche Anhörung nicht zulässig seien. Die praktische Ausführung des Jobcenters, die Betroffenen nicht ausreichend anzuhören und die Entscheidungen unzureichend zu begründen, wurde scharf gerügt.

Das Gericht entschuldigte sich in seiner Urteilsbegründung sogar bei der Klägerin für den abgelehnten Eilantrag und bezeichnete diesen als verfassungswidrig. Das Jobcenter wurde verpflichtet, die gesamten vorher einbehaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 6556,48 Euro nachzuzahlen. In seiner Entscheidung nahm das Gericht auch Bezug auf die mangelnde Anhörungspraxis anderer Sozialgerichte, insbesondere des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, und forderte eine gründliche Berücksichtigung individueller Umstände in solchen Fällen.

Der Fall trägt das Aktenzeichen SG Karlsruhe, Az: S 12 AS 2046/22 und könnte grundlegende Auswirkungen auf zukünftige Entscheidungen der Sozialgerichte haben, wie [Merkur](https://www.merkur.de/verbraucher/arbeitsamt-streicht-frau-das-buergergeld-vor-gericht-kommt-es-zu-einem-richtungsweisenden-urteil-zr-93599816.html) berichtete. Die umfassende Kritik des Sozialgerichts an der Handhabung durch das Jobcenter und anderen Sozialgerichte könnte eine grundlegende Neubewertung der Verfahren nach sich ziehen, wie auch [Gegen Hartz](https://www.gegen-hartz.de/urteile/buergergeld-gericht-machte-rundumschlag-gegen-sozialgerichte-und-jobcenter-rund) anmerkte.