
Lucius Burckhardt, der von 1925 bis 2003 lebte, gilt als einer der bedeutendsten Schweizer Architektur- und Planungskritiker. Er wird als einer der originellsten und kreativsten Intellektuellen des letzten Jahrhunderts in der Schweiz angesehen. Als Querdenker vertrat Burckhardt sowohl konservative als auch nonkonformistische Ansichten und war ein Verfechter des konstruktiven Dekonstruierens. Dabei kombinierte er Elemente aus Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften.
Seine Initialzündung als Bürgeraktivist kam 1949, als er gegen den Bau einer Entlastungsstraße in Basel protestierte, die über 120 mittelalterliche Häuser gefährdete. Burckhardt war außerdem Mitbegründer der ersten grünen Partei in Basel und engagierte sich aktiv im Urbanismus. Neben seiner Tätigkeit als Architekturkritiker war er auch als Aquarellist und Cartoonist aktiv.
Einflussreiche Konzepte und Lehrtätigkeiten
Burckhardt interessierte sich für Entscheidungsprozesse im Bauwesen und übte Kritik an kurzsichtigen Planungen und blinder Wachstumseuphorie. Er befürwortete kleinere, gesellschaftlich reflektierende Schritte beim Bauen anstelle groß angelegter Lösungen. Geboren in Davos, besuchte er ein deutsches Gymnasium und studierte in Basel Medizin, Nationalökonomie, Soziologie, Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte. Im Jahr 1955 veröffentlichte er zusammen mit Max Frisch und Markus Kutter das aufsehenerregende Pamphlet „achtung: die Schweiz“.
Seine akademische Laufbahn umfasste Lehraufträge an verschiedenen Universitäten, und 1973 übernahm er eine Professur für Sozioökonomie urbaner Systeme an der Universität Kassel, wo er das Fach „Spaziergangswissenschaften“ entwickelte. Diese Disziplin, die in den 1980er Jahren von Burckhardt begründet wurde, verbindet Elemente der Soziologie und des Urbanismus. Spaziergangswissenschaft beschäftigt sich mit dem bewussten Wahrnehmen der Umgebung beim Spazierengehen, was nicht mit lockerem Wandeln zu verwechseln ist, wie habito.de berichtet.
Die Promenadologie, die Burckhardt entwickelte, hat ihren Platz an der Universität Kassel, wo der einzige Lehrstuhl für Spaziergangswissenschaften von Martin Schmitz geleitet wird. Projekte aus diesem Bereich finden sich in zeitgenössischen Kunstausstellungen wieder. Burckhardt führte zahlreiche Interventionen durch, die oft einen spielerischen Charakter hatten, darunter der „Fussmarsch mit Windschutzscheibe“ und „Das Zebra streifen“. Er sah sich selbst als spielenden Künstler und betonte die Rolle der Kunst bei der Vermittlung bestimmter Perspektiven.
In den letzten Jahren seines Lebens erlebte Burckhardts Werk ein Revival, unterstützt durch mehrere Publikationen und Ausstellungen zu seinem Leben und Schaffen. Eine Ausstellung anlässlich seines 100. Geburtstags findet bis zum 13. August in der Universitätsbibliothek Basel statt, wie nzz.ch berichtet.