Villingen-SchwenningenWirtschaft

Streikgeschichten: Wie Schwenningen 1963 die Arbeitswelt veränderte

Im Jahr 1963 begann in Schwenningen ein bedeutender Arbeitskampf in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Am 29. April 1963 um 0:00 Uhr rief die IG Metall alle Metall-Arbeiterinnen und -Arbeiter zum Streik auf. Hintergrund des Streiks war ein Tarifkonflikt, der bereits 1962 begann, als die Arbeitgeberseite den bestehenden Lohntarif kündigte.

Ein drohender Streik wurde zunächst durch einen Kompromiss abgewendet. Doch im Frühjahr 1963 sah sich die IG Metall aufgrund der Inflation gezwungen, eine Lohnerhöhung von acht Prozent zu fordern. Dem entgegen stand die Arbeitgeberseite, die, unterstützt von der Bundesregierung, einen Lohnstopp forderte. Am 5. April 1963 fand eine große Protestkundgebung auf dem Schwenninger Marktplatz statt, bei der Eugen Loderer, DGB-Landesvorsitzender, und Erich Mayer, Bezirkssekretär der IG Metall Schwenningen, sprachen.

Streikverlauf und Auswirkungen

Eine Urabstimmung am 18. April ergab, dass 82 Prozent der Schwenninger Betriebe und 87 Prozent im gesamten Tarifgebiet für den Streik stimmten. Ab dem 29. April wurden neben Schwenningen auch Betriebe in Mannheim, Stuttgart, Esslingen und Reutlingen bestreikt. Die Streikbeteiligung variierte stark, zwischen acht und 85 Prozent der Beschäftigten erschienen zur Arbeit. Der Streik führte zu spürbaren Veränderungen im Alltag der Stadt, wobei Umsatzeinbußen im Handel und Handwerk zu verzeichnen waren.

Am zweiten Streiktag beschlossen die Metallverbände eine Aussperrung ab dem 5. Mai, die in Schwenningen jedoch erst am 9. Mai umgesetzt wurde. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard intervenierte und lud die Tarifparteien zu Verhandlungen ein. Nach einem zwölfstündigen Gespräch wurde ein Kompromiss erzielt: eine rückwirkende Lohnerhöhung um fünf Prozent ab dem 1. April 1963 und eine weitere Erhöhung um zwei Prozent ab dem 1. April 1964. Die Arbeit wurde am 13. Mai 1963 wieder aufgenommen.

Gedenken an den Arbeitskampf in der ostdeutschen Stahlindustrie im Frühjahr 1993 zeigte eine ähnliche Entschlossenheit der Beschäftigten. Arbeitgeber kündigten erstmals seit über 60 Jahren einen laufenden Tarifvertrag. Der erste Streik in der Nachkriegsgeschichte der ostdeutschen Stahlindustrie endete am 26. Mai 1993, nachdem die Arbeitsniederlegungen am 3. Mai 1993 begonnen hatten. Dieser Arbeitskampf ist ein weiteres Beispiel für die Widerstandskraft der Gewerkschaften in schwierigen Zeiten, wie IG Metall hervorhebt.