
Am 18. Januar 2025 hielt Agnes Krumwiede einen bedeutenden Vortrag über die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie aus Ingolstadt und dem ehemaligen Landkreis. Der Termin war bewusst gewählt, da er auf den Jahrestag der ersten Deportation von Bewohnern der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar im Rahmen der „T4-Aktion“ im Jahr 1940 fiel. Krumwiede berichtete von Eleonore Baumann, die als Kind nicht einmal zehn Jahre alt wurde und in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz ermordet wurde. Eleonore war aufgrund von Hirnschäden, verursacht durch Sauerstoffmangel bei der Geburt, halbseitig gelähmt. Nach dem Tod ihres Vaters kam sie in die Anstalt, wo ihr Leben gewaltsam beendet wurde.
Im Rahmen des Vortrags enthüllte Krumwiede, dass Schüler des Scheiner-Gymnasiums planen, einen Gedenkstein für Eleonore Baumann zu errichten. Der Vortrag beleuchtete zudem eine erschreckende Bilanz: Zwischen 1939 und 1945 wurden schätzungsweise 300.000 Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen getötet, darunter etwa 5.000 Kinder. Von diesen 5.000 Kindern stammen fünf aus Ingolstadt. Über die Jahre wurden 56 Ingolstädter in der Tötungsanstalt Hartheim ermordet, die meisten zwischen 1940 und 1941. Die durchschnittliche Altersgruppe der Opfer betrug etwa 40 Jahre, viele litten an Schizophrenie.
Die grausame Realität der Euthanasie
Mindestens 30 Menschen aus Ingolstadt starben zudem durch dezentrale NS-Euthanasie-Morde, oft infolge von Mangelernährung oder Vern neglect. Das Projekt „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ wird seit drei Jahren am Zentrum Stadtgeschichte durchgeführt. Bei der Erfassung der Schicksale der Opfer wurden Kriterien wie die Aufenthaltsdauer in der Anstalt und die Zuwendung durch Angehörige herangezogen.
Zusätzlich wurde erwähnt, dass das städtische Krankenhaus in Ingolstadt ebenfalls ein Tatort des Euthanasieprogramms war. Ein 78-Jähriger verstarb dort nach einer Spritze. Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass über 80 Kleinkinder von ausländischen Zwangsarbeiterinnen in Ingolstadt starben, häufig aufgrund von Mangelernährung. Zudem sind Zwangsabtreibungen an Zwangsarbeiterinnen dokumentiert. Krumwiede nannte außerdem Verstrickungen von Fürsorgerinnen, Behörden, Ärzten und Kirchen in die Sterilisationen und das Euthanasie-Programm. Drei namentlich genannte Personen waren Ludwig Liebl, Wilhelm Reismüller und Josef Listl.
In einem ergänzenden Vortrag erwähnte Philipp Rauh die Verwendung von Hirnpräparaten von NS-Opfern in der medizinischen Forschung bis in die 1990er Jahre. Diese Praktiken wurden besonders nach der Entdeckung von Hirnpräparaten aus Euthanasie-Opfern in Archiven der Max-Planck-Gesellschaft in den Jahren 2015 und 2016 kritisch hinterfragt. Ein Forschungsprojekt, das 2017 startete, zielt darauf ab, die Identität der Opfer zu ermitteln und einen ethischen Umgang mit ihren Überresten zu fördern.
Die brutal systematische Tötung von Menschen im Rahmen der „T4-Aktion“ war nicht nur ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern auch ein Teil eines größeren Programms, das von verschiedenen Institutionen, darunter das Reichsinnenministerium und das Reichssicherheitshauptamt, orchestriert wurde. [Gedenkort T4](https://gedenkort-t4.eu/wissen/aktion-t4) zeigt auf, dass die Einrichtung von Meldebögen an Pflegeheime und Anstalten, ohne dass diese über das eigentliche Ziel informiert waren, Teil dieser grausamen Praxis war.