Starnberg

Verborgene Verbrechen: Ein Enkel enthüllt das Schicksal seines Großvaters

Jochen Ebner hat seine beiden Großväter nie kennengelernt. Der mütterliche Großvater starb im Zweiten Weltkrieg, während sein väterlicher Großvater, Nikolaus Ebner, 1942 von den Nationalsozialisten nach Herzogsägmühle verschleppt wurde und dort drei Jahre später verstarb. Seit drei Jahren beschäftigt sich Ebner mit der Recherche über Nikolaus Ebner, zunächst mit nur wenigen Informationen, darunter der Name, der Geburtsort und die Tatsache, dass Nikolaus in Schongau begraben wurde.

2022 startete er einen neuen Anlauf, nachdem er in den Ruhestand versetzt worden war. Dabei entdeckte er eine Akte über seinen Großvater in der Diakonie Nürnberg, in der sich ein Passfoto von Nikolaus aus dem Jahr 1944 befand. Nikolaus Ebner war von den Nationalsozialisten als Asozialer gebrandmarkt worden. Ein Brief aus dem Jahr 1939 dokumentiert die Bitte der Stadt Starnberg um seine Einweisung nach Herzogsägmühle. Darin wird er als ein Mann beschrieben, der in der Stadt umherlungert, bettelt und sich unangemessen verhält.

Verbrechen der Nazis erinnern

Jochen Ebner hinterfragt die Darstellungen im Brief und fragt sich, ob diese der Wahrheit entsprachen oder durch Armut bedingt waren. Nikolas Ebner war ein einfacher Arbeiter und Tagelöhner und hatte zeitweise als Leichenträger gearbeitet. 1942 wurde er von der Schutzpolizei Starnberg abgeholt und nach Herzogsägmühle gebracht, wo er an einer „chronischen Herzmuskelentzündung“ starb, was Ebner als Alibi-Diagnose vermutet. Mit Stolz präsentiert er ein Foto seines Großvaters und engagiert sich, indem er einen Vortrag über die Verbrechen der Nazis bei einer Gedenkfeier in Herzogsägmühle hielt.

Bei dieser Gedenkveranstaltung, die unter dem Motto „Gemeinsam erinnern“ zur NS-Gesundheitspolitik stattfand, wurde auch an die mehr als tausend Menschen erinnert, die zwischen 1934 und 1945 in Herzogsägmühle als Zwangsarbeiter starben. Babette Müller-Gräper, Projektleiterin des „Lernorts“, organisierte die erste Gedenkveranstaltung. Schätzungen zufolge durchliefen 10.000 bis 12.000 Menschen das Zwangssystem in Herzogsägmühle während der NS-Zeit. Geschäftsführer Johann Rock betonte die Zwangsarbeit und die gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit.

Herzogsägmühle, das 1894 als Arbeitskolonie gegründet wurde, hat sich von einem Ort der Arbeit zu einem Ort des Leids entwickelt. Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger forderte, die Erinnerung an die NS-Zeit wachzuhalten. Alfons Ims vom Verband Vevon sprach von der „Asozialen-Bekämpfung“ und kritisierte die Gefahr, die dieser Ort für hilfsbedürftige Menschen darstellt. Zudem hinterfragte Ines Eichmüller von Vevon die späte offizielle Anerkennung der Opfer durch die Politik. Ein Gedenkstein mit 430 Namen wurde vor fünf Jahren im Diakoniedorf aufgestellt, wobei tatsächlich mehr als doppelt so viele Menschen ihr Leben in Herzogsägmühle verloren als auf dem Gedenkstein verzeichnet sind, wie [sueddeutsche.de](https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/starnberg-nationalsozialismus-herzogsaegmuehle-grossvater-verschleppt-ebner-nazis-lux.DtWTreqMewQr4an3UPBdeP) berichtete.

Die Betroffenen teilten ihre persönlichen Schicksale und berichteten von ihren Vorfahren, die in Herzogsägmühle litten. Reinhard Riediger und Jochen Ebner waren unter ihnen. Die Gedenkveranstaltung stellt dabei einen wichtigen Schritt dar, um an die Opfer der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik zu erinnern und die gesamtgesellschaftliche Verantwortung in den Fokus zu rücken, wie [merkur.de](https://www.merkur.de/lokales/schongau/peiting-ort49612/toedliche-gefahrenzone-herzogsaegmuehle-gedenkt-opfern-der-ns-gesundheitspolitik-93427883.html) erklärte.