
Eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes unter 1300 angestellten Medizinern in Niedersachsen zeigt einen alarmierenden Anstieg von Gewalt am Arbeitsplatz. Laut den Ergebnissen, die Landeszeitung berichtete, haben knapp 90% der Befragten verbale Gewalt erlebt, während über 50% körperliche Gewalt erfahren haben. Besonders besorgniserregend ist diese Entwicklung in Notaufnahmen und stationären Bereichen der Kliniken.
Kristina Lanz, die Leitende Oberärztin am Klinikum Lüneburg, bestätigte den Anstieg der verbalen Gewalt, die häufig von alkoholisierten oder drogenabhängigen Patienten sowie deren Angehörigen ausgeht. Jan Trottnow, Pflegerische Leitung der Zentralen Notaufnahme, spricht von täglichen Beschimpfungen und Drohungen, die das Klinikpersonal zu spüren bekommt. Diese zunehmende Aggressivität unter den Patienten wird auf die schnelle Erwartungshaltung in der Gesellschaft zurückgeführt.
Herrausforderungen im Klinikalltag
Ein signifikanter Personalmangel sowie häufige akute Ausfälle in der Pflege und Medizin führen zu einer Überlastung des Klinikpersonals und langen Wartezeiten in Notaufnahmen. Laut Undine Wendland, Verwaltungsleiterin am Klinikum, dürfen Patienten in Notaufnahmen nicht abgewiesen werden, was die Wartezeiten zusätzlich verlängert. Silke Scholz, Teamkoordinatorin der Kinderklinik, berichtet von vergleichbaren Herausforderungen mit ungeduldigen Eltern.
Ärzte und Pflegekräfte leiden zunehmend unter den psychischen Belastungen, die aus dem mangelnden Respekt und den notwendigen zusätzlichen Erklärungen für Patienten resultieren. Um dem entgegenzuwirken, bietet die Klinikleitung Part-Training sowie verpflichtende Deeskalationstrainings für das Empfangspersonal an. Des Weiteren ist ein Sicherheitsdienst sieben Tage die Woche im Klinikum präsent, um potenzielle Konflikte im Voraus zu vermeiden. Plakate in mehreren Sprachen fördern zudem ein respektvolles Miteinander.
In einer separaten Berichterstattung von rbb wird ergänzt, dass körperliche Übergriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen insgesamt zunehmen. Überfüllte Wartezimmer, überlastetes Personal sowie emotionale Ausnahmezustände der Patienten führen zu zahlreichen Konflikten. Im vergangenen Jahr wurde ein Anstieg der gemeldeten Gewaltdelikte in Berliner Rettungsstellen festgestellt.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, implementiert das Jüdische Krankenhaus im Wedding spezielle Schulungen für Ärzte und Pflegekräfte durch einen Deeskalationstrainer. Der Trainer, Danièl Lautenschlag, vermittelt Techniken zur frühzeitigen Erkennung und Entschärfung potenzieller Gefahren, wobei verbale Deeskalation sowie einfache Verteidigungsgriffe Teil des Trainings sind. Dr. Kalaivanan, stellvertretende Leiterin der Notaufnahme, berichtet von täglichen Herausforderungen mit gewaltbereiten Patienten und zeigt sich den Schulungen, trotz anfänglicher Skepsis, aufgeschlossen.
Besonders drastische Vorfälle, wie die Attacke in der Silvesternacht 2024 im Sana-Klinikum auf einen Arzt und einen Pfleger, haben in der Gesellschaft Empörung ausgelöst und verdeutlichen die Dringlichkeit der Thematik.