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Ein Historiker der Universität Oldenburg hat bei seinen Recherchen eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: eine Reisetruhe, die Hunderte von Briefen aus dem 18. Jahrhundert enthält. Diese Truhe gehörte dem Hamburger Kaufmann Nicolaus Gottlieb Lütkens (1716-1788), der die Truhe während einer Reise im Jahr 1745 verlor, als sein Schiff „Die Hoffnung“ von einem britischen Kaperschiff im Ärmelkanal gekapert wurde. In der Truhe befanden sich etwa 2.480 Briefe, Rechnungen und Notizbücher, die Einblicke in Lütkens‘ Leben gewähren, unter anderem Liebesbriefe an seine Verlobte Ilsabe Engelhardt.
Der Historiker Lucas Haasis, Forschungskoordinator des Projekts „Prize Papers“, das von der Göttinger Akademie der Wissenschaften gefördert wird, hat zehn Jahre lang nach Nachfahren von Lütkens gesucht, jedoch ohne Erfolg, da die Familie während des Zweiten Weltkriegs nach London floh. Eine zufällige Kontaktaufnahme mit einer Nachfahrin, einer Londoner Lehrerin, brachte schließlich Klarheit. Diese bestätigte den Besitz eines Siegelstempels, der mit den Wachssiegeln auf den Briefen übereinstimmt. Die Briefe werden nun im Nationalarchiv aufbewahrt, und Haasis plant ein Treffen mit der Nachfahrin in Hamburg, wie Merkur berichtete.
Die Umstände der Kaperung
Die Reisetruhe von Lütkens ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sie weist auch auf die turbulente Zeit des 18. Jahrhunderts hin. Im August 1745 lud Lütkens sein Geschäftsarchiv im französischen Hafen Brest auf ein Schiff nach Hamburg. Zu diesem Zeitpunkt war er als reisender Kaufmann in Frankreich tätig und hatte sich im Großhandel einen Namen gemacht. Da sich Frankreich im Krieg mit England befand, entschloss sich Lütkens, sein Archiv, das viele Briefe von französischen Geschäftspartnern enthielt, im „afterhold“ des Schiffs verstecken. Dennoch wurde „Die Hoffnung“ fünf Seemeilen südlich von Beachy Head von britischen Offizieren gefangen genommen, die sein Archiv beschlagnahmten. Lütkens sah sein Archiv nie wieder.
Das Luetkens-Archiv wird heute in der Sammlung der Prize Papers aufbewahrt und bietet einzigartige Einblicke in das Handelsleben des 18. Jahrhunderts. Es wurde jahrhundertelang vergessen und weist noch das ursprüngliche Ordnungssystem von Lütkens auf, einschließlich Dutzenden von Briefbündeln. Es gilt als Zeitkapsel, die eine entscheidende Phase im Leben eines Kaufmanns dokumentiert und die Mobilität und Herausforderungen der Gründungsphase eines Handelsunternehmens beleuchtet, wie Prize Papers berichtete.