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Überwachung in Berlin: Polizei hat die wenigsten Befugnisse Deutschlands!

Eine aktuelle Veröffentlichung der scheidenden Bundesregierung zur „Überwachungsgesamtrechnung für Deutschland“ zeigt erhebliche Unterschiede in den Befugnissen der Sicherheitsbehörden zwischen den Bundesländern. Besonders auffällig ist, dass Berlin insgesamt weniger Befugnisse für Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwälte hat als andere Bundesländer. Der sogenannte „Befugnisgesamtwert“ für Berlin liegt bei 209, was im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ niedrig ist. Rheinland-Pfalz und Bayern führen mit den höchsten Gesamtwerten von jeweils 259.

Diese Differenzen in den Befugnissen sind auf die strengen Überwachungsnormen der beiden Bundesländer zurückzuführen, die moderate Intensitätswerte zur Folge haben. Weitere Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen befinden sich in einem Bereich von Befugniswerten zwischen 223 und 238. Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und das Saarland liegen sogar bei Werten von 240 und höher. Anhand der Ergebnisse wurde festgehalten, dass es keine deutlich „überwachungsaffinen“ Behörden oder Bundesländer gibt und die Nutzung der einzelnen Befugnisse in der Praxis nur begrenzt ermittelt werden konnte. Zu den betrachteten Überwachungsmethoden zählen unter anderem die Abfragen von Telekommunikationsverkehrsdaten sowie der heimliche Zugriff auf ruhende Kommunikation und Fluggastdaten.

Überwachung und Gesetzgebung

Darüber hinaus thematisieren die Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in ihren Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen seit 2006 auch die Überwachung und deren Auswirkungen auf Grundrechte. So wurde im Rahmen der Diskussion über das „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine ablehnende Position eingenommen. Es wurde auf die Gefährdung von Grundrechten und den unverhältnismäßigen Abbau von Freiheitsrechten hingewiesen. Kritisiert wurden unter anderem das Fehlen rechtstatsächlicher Grundlagen für die Verschärfung der Regelungen und die Notwendigkeit einer echten Evaluierung durch unabhängige Forschungseinrichtungen.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Ausbau der Befugnisse der Sicherheitsbehörden stetig zugenommen. Eine Vielzahl an Reformprojekten auf Landes- und Bundesebene wurde initiiert, ohne dass eine umfassende Gesamtbilanz der gesellschaftlichen Überwachungsbelastung vorgelegt werden konnte. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, dass die Sicherheitsbehörden das Ausmaß der Überwachung beschränken müssen. Leider erfolgen gesetzgeberische Aktivitäten im Sicherheitsrecht häufig ohne eine fundierte wissenschaftliche Evaluation, wobei die empirische Grundlage für neue Gesetzesvorhaben oft nur auf „Wunschlisten“ von Praktikern basiert. Trotz des Versprechens der Ampelkoalition, eine evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik zu verfolgen, bleibt unklar, ob dies ausreicht, um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu wahren.