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In Schleswig-Holstein zeigen aktuelle Zahlen besorgniserregende Entwicklungen bezüglich der Lesekompetenz von Schülern. Laut einem Bericht des NDR hat jeder vierte Drittklässler in dem Bundesland eine ungenügende Note in Deutsch, während es vor einigen Jahren weniger als jeder zehnte Drittklässler war. Dies deutet auf eine wachsende Zahl von Kindern mit Leseproblemen hin, wobei Bildungsexperte Prof. Olaf Köller vor langfristigen Folgen dieser Defizite warnt. Insbesondere Kinder in der schwächsten Lesegruppe haben Schwierigkeiten, ihre Defizite bis zum Ende der Grundschulzeit aufzuholen.
Eine weitere alarmierende Statistik zeigt, dass ein Viertel der 15-Jährigen in Schleswig-Holstein Texte nicht verstehend lesen kann. Diese Leseprobleme haben Einfluss auf die Noten in vielen Fächern, einschließlich Biologie und Mathematik. Ulla Kölbel, Lehrerin an der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark in Norderstedt, berichtet von erheblichen Leseproblemen bei ihren Schülern. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurden an der Schule zwei neue Programme zur Leseförderung implementiert: das Leseband und das Turbo-Team-Programm.
Programme zur Leseförderung und deren Finanzierung
Das Leseband sieht vor, dass Schüler in allen fünften Klassen täglich 30 Minuten lesen. Das Turbo-Team-Programm hingegen bietet digitales Tutoring für Schüler mit ausgeprägten Leseproblemen und wird viermal pro Woche durchgeführt. Diese Programme werden durch das Start-Chancen-Programm in Schleswig-Holstein finanziert, das über einen Zeitraum von zehn Jahren 66 Millionen Euro für 135 Schulen bereitstellt.
Die Ursachen für die festgestellten Lesedefizite werden unter anderem in einer mangelhaften Sprachförderung in Kindertagesstätten gesehen, insbesondere bei Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. Kerstin Quellmann, Vorsitzende der GEW, führt auch die abnehmende Unterrichtsqualität und die Folgen der Corona-Pandemie als weitere Gründe an. Besonders der Fachkräftemangel hat dazu geführt, dass Quereinsteiger unterrichten, was sich negativ auf die Unterrichtsinhalte auswirkt. Erste Ergebnisse aus den neuen Ansätzen an der Ossenmoorpark-Schule sind jedoch vielversprechend; Schüler im Turbo-Team-Programm zeigen bereits Fortschritte in ihrem Wortschatz und Selbstbewusstsein.
Lesekompetenz ist nicht nur eine schulische Herausforderung, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle für die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe. Laut Informationen des Ministeriums für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein fördert das Lesen wichtiges Zuhören, Meinungsbildung und die Fähigkeit zur Äußerung in allen Altersgruppen. Frühzeitiges Vorlesen stärkt zudem die sozialen und emotionalen Fähigkeiten von Kindern.
Das Ministerium sieht in der Leseförderung einen zentralen Bestandteil der kulturellen und politischen Bildung. Gemeinnützige Organisationen und natürliche Personen können Projekte beantragen, die Lesen fördern und interkulturellen Austausch unterstützen. Diese Projekte sollen zudem aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen und die Zusammenarbeit mit Kunst- und Kulturschaffenden stärken.
Die Antragstellung für Projekte erfolgt über ein elektronisch ausfüllbares Formular, in dem eine Projektbeschreibung mit Zielen und geplanten Aktivitäten sowie ein Kosten- und Finanzierungsplan dargestellt werden muss. Die Fristen für die Einreichung von Projektanträgen enden jeweils am 31. Januar oder 1. Juni.