
Carlo Levi, ein italienischer Maler und Anti-Faschist, reiste 1958 durch Deutschland und entwickelte in seinem Werk eine eigene Sicht auf das Nachkriegswestdeutschland. Obwohl er ein prominenter Autor ist, bleibt er in der deutschen und europäischen Literaturgeschichte vergleichsweise unbekannt. Bekannt wurde er durch seinen Roman „Christus kam nur bis Eboli“, dessen Verfilmung im Jahr 1979 von Francesco Rosi seinen Durchbruch unterstützte.
In der Region Bassilicata, wo Levi lebte, fand durch sein Werk eine Einführung in die Kultur- und Literaturgeschichte statt. Er stammt aus einer großbürgerlichen italienisch-jüdischen Familie in Turin. Nach seiner medizinischen Ausbildung wurde er wegen seines Widerstands gegen den Faschismus verbannt und beschreibt seine Ankunft in Gagliano, wo er gefesselt und von zwei Polizisten begleitet wurde. Der Beck-Verlag veröffentlichte kürzlich eine neue Übersetzung seines Textes, die von Martin Hallmannsecker erstellt wurde.
Neue Übersetzung und Beurteilung
Die frühere Ausgabe wurde als „philologisch nicht gut aufbereitet“ kritisiert, während die neue Übersetzung von konservativen Zeitungen gelobt wird, auch wenn Levis Werk die deutsche Nachkriegsgesellschaft negativ darstellt. In seinem Buch thematisiert Levi die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und die entsprechenden Auswirkungen auf gebildete Menschen. Die Deutschen, die er trifft, beschreibt er als „fett, bierselig, gemütlich, mardergesichtig, schuld- und hasserfüllt“ und kritisiert vor allem die Menschen in Süddeutschland, während er eine gewisse Sympathie für Berlin zeigt.
Levi betont, dass sein Werk keine Reportage oder authentische Beschreibung ist, sondern vielmehr eine Art Roman. Er thematisiert die Unfähigkeit der Deutschen, Liebe und Freiheit zu empfinden, und beschreibt eine innere Zerrissenheit. Der Rezensent äußert zudem Zweifel an der Interpretation des Textes aus heutiger Perspektive, während die Lektüre aufgrund analytischer und kommentierender Teile als schwierig beschrieben wird.
Titel und Inhalt des Werkes
Levi notierte 600 verschiedene Titel-Varianten für sein Buch über seine Deutschlandreise 1958. Der Titel „Faust und Hitler“ war eine der Optionen, letztendlich entschied er sich für „La doppia notte dei tigli“ (Die doppelte Nacht der Linden). Dieser Titel ist ein abgewandeltes Zitat aus Goethes Faust, das auf ein durch Mephisto gelegtes Feuer verweist. Martin Hallmannsecker hat die Übersetzung „Die doppelte Nacht“ veröffentlicht, und Bernd Roeck erläutert im Nachwort die Referenz zu Goethes Werk.
In seinem Buch beschreibt Levi ein wiederauferstandenes Deutschland im Geiste von Faust und Hitler, beobachtet eine Müdigkeit und Schwermut bei den Deutschen und schildert eine andere Physiognomie der Deutschen in Gaststätten, die er als gefräßig und barbarisch wahrnimmt. Levi äußert ein tiefes Unbehagen während seiner Reise durch verschiedene deutsche Städte und vergleicht die Deutschen mit den Darstellungen früher deutscher Maler. Seine Beschreibungen von „finsterem Schweigen“ und „leeren Herzen“ verdeutlichen die moralische Verfassung Deutschlands.
Levi reflektiert über den Besuch von Dachau und stellt fest, dass Deutschland nicht geläutert sei, sondern sich mit Arbeit betäubt habe. Die Städte beschreibt er als tot, zertrümmert und neu aufgebaut oder gefälscht. Er äußert Misstrauen gegenüber einem neuen, zivilisierten Deutschland, da alte Nazis weiterhin in Politik und Gesellschaft präsent sind. Fast 70 Jahre nach Levis Reise wird die Frage aufgeworfen, ob eine echte Läuterung stattgefunden hat, besonders im Hinblick auf den Aufstieg von Rechtsextremen und Rassismus, was erneut in den Fokus gerückt wurde, wie WDR in einem Artikel berichtete.