
Ein älterer Mann aus Gilching steht vor einem Problem, das viele Menschen mit eingeschränktem Zugang zu digitalen Technologien betrifft. Der über 70-Jährige konnte ein Paket nicht empfangen, da es in einer App-gesteuerten DHL-Packstation landete. Diese Packstation ist ausschließlich über die „DHL Paket App“ und eine Bluetooth-Verbindung nutzbar, was für den Mann, der kein Smartphone, keinen Computer und keine E-Mail-Adresse besitzt, unüberwindbar war.
Der DHL-Kurier hatte das Paket zur Packstation Nummer 215 beim Lidl-Markt gebracht, weil der Mann nicht zu Hause war. Eine Nachbarin des älteren Herren versuchte, eine erneute Zustellung über die DHL-Internetseite zu beantragen, stieß dabei jedoch auf Schwierigkeiten, da sie die benötigte E-Mail-Adresse des Nachbarn nicht zur Hand hatte. Sie äußerte die Besorgnis, dass die fortschreitende Digitalisierung Menschen ausschließe, die keine elektronischen Geräte besitzen.
Digitalisierung und gesellschaftliche Herausforderungen
Rund ein Drittel der 15.000 DHL-Packstationen in Deutschland sind bereits App-gesteuert und haben keinen Bildschirm. Diese Packstationen seien oft mit Solarzellen ausgestattet und damit energieautark. Während ältere Modelle eine Abholung von Paketen ohne Smartphone ermöglichen, indem eine Benachrichtigungskarte gescannt wird, zeigt sich hier ein deutliches Ungleichgewicht. DHL prüft derzeit, wie die Abholung aus diesen App-gesteuerten Packstationen einfacher gestaltet werden kann.
Eine Sprecherin von DHL, Sonja Radojicic, erklärte, dass alle Bürger Zugang zur postalischen Grundversorgung haben, auch ohne Smartphone. Der telefonische Kundenservice der Post kann Kunden bei der Zustellung unterstützen und Lösungen für den Ausschluss von Packstationen anbieten. Letztendlich konnte der Mann über persönliche Kontakte an sein Paket gelangen.
Die Problematik dieser Situation ist Teil eines größeren Trends, der als „Digitalzwang“ bekannt ist. In Deutschland sind viele Dienstleistungen zunehmend nur noch über Apps und das Internet verfügbar, was für Menschen ohne Internetzugang oder Smartphone problematisch ist. Laut dem Statistischen Bundesamt haben rund 3,4 Millionen Menschen im Alter von 16 bis 74 Jahren noch nie das Internet genutzt. Bei den über 74-Jährigen sind es zusätzlich 9,2 Millionen Menschen, die nicht erfasst werden. Über 50 Prozent der über 65-Jährigen nutzen kein Smartphone, was mehr als 9 Millionen Menschen entspricht.
Der Verein Digitalcourage kritisiert unter anderem das Angebot von DHL, dessen Packstationen nur mit einer App bedient werden können. Darüber hinaus steht die Deutsche Bahn in der Kritik, da sie die Nutzer zur Nutzung ihrer App für das BahnBonus-Programm drängt. Der Sozialwissenschaftler Jan-Felix Schrape hebt hervor, dass Unternehmen oft nicht ausreichend berücksichtigen, dass viele Menschen keinen Bezug zur digitalen Welt haben. Der Verein fordert daher, dass Technik menschengerecht gestaltet wird und analoge Alternativen bestehen bleiben.
Ein Beispiel für diesen Digitalzwang war auch während der Corona-Pandemie zu beobachten, als ältere Menschen Schwierigkeiten hatten, Impftermine online zu buchen. Der Soziologe Schrape stellt fest, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen, insbesondere Senioren, in der digitalen Transformation häufig ignoriert werden. Der Verein Digitalcourage fordert ein „Grundrecht auf ein analoges Leben“ im Grundgesetz.