GreifswaldMecklenburgische Seenplatte

Greifswalds Schüler beleuchten die dunklen Schatten des Kriegsendes

Schülerinnen und Schüler der Erwin-Fischer Schule in Greifswald beschäftigen sich intensiv mit dem Kriegsende in Vorpommern. Im Rahmen von zwei Projekttagen stellen sie die zentrale Frage, ob das Kriegsende in Vorpommern als ein Tag der Befreiung angesehen werden kann. Dabei liegt der Fokus auf drei Städten, die unterschiedliche Schicksale erlitten: Greifswald, wo es zu einer kampflosen Übergabe kam, Anklam, das fast vollständig zerstört wurde, und Demmin, wo es zu Massensuiziden kam.

Die Schülerinnen und Schüler verwenden eine Vielzahl von Materialien, um sich mit den historischen Ereignissen auseinanderzusetzen. Dazu gehören Tagebücher, Aussagen von Zeitzeugen, ein Videoprojekt, Zeichnungen sowie musikalische Lesungen. Die Veranstaltung wird von Hinrich Kuessner, einem Theologen und Friedensaktivisten aus Greifswald, unterstützt. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für die Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Region zu entwickeln.

Geplante Veranstaltungen in Greifswald

Das Projekt beinhaltet auch ein Vorab-Videoprojekt, das sich mit dem Kriegsende in Greifswald beschäftigt. Geplant sind musikalische Lesungen in der Aula der Fischer-Schule an einem Sonntagabend sowie am Montagmittag. Der Schauspieler Roman Knižka wird von dem Ensemble Opus 45 mit klassischer Musik begleitet. Dies wird ein Teil der Bemühungen sein, das historische Bewusstsein in der Region zu schärfen.

Ein weiterer Aspekt des Kriegsendes in Vorpommern wird in einem neuen Buch des Historikers Prof. Dr. Emmanuel Droit behandelt. In seinem Werk „Les suicidés de Demmin“ thematisiert Droit den Massensuizid, bei dem schätzungsweise 1000 Menschen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ihr Leben aus Verzweiflung nahmen. Droit analysiert die Gewalteskalation in Demmin auf mikrohistorischer Ebene und hinterfragt gängige volkstümliche Erklärungen. Seinen Recherchen zufolge war die Gewalt ein komplexes System und nicht lediglich das Resultat von Nazi-Propaganda oder Kriegsverbrechen.

Das Buch begleitet verschiedene Protagonisten, darunter einen jungen Soldaten, einen Ersten Weltkriegs-Veteranen und Flüchtlinge, die ihre persönlichen Erlebnisse schildern. Droit beleuchtet die Ängste und Stimmungen der Zeitzeugen und betrachtet mehrere Faktoren, die zu dem Massensuizid führten, wie das Gefühl der räumlichen Ausweglosigkeit und die Berichte von Flüchtlingen. Er zeigt auf, dass zwar alle Voraussetzungen für eine Hölle in Demmin vorhanden waren, jedoch ein Funke fehlte, um die Gewalt zu entfachen. Einsatz von Feierlichkeiten zum 1. Mai und Alkoholkonsum wird ebenso betrachtet, um mögliche Auslöser der Gewalt zu beleuchten.

Die Veranstaltungen und die Publikation Droit’s lenken die Aufmerksamkeit auf die komplexen und oft schwer fassbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Region, tragen aber auch zur Aufarbeitung der historischen Ereignisse in Vorpommern bei.