
Ein Aufschrei geht durch Nordrhein-Westfalen: Soll Türkisch das neue Englisch an Grundschulen werden? Diese provokante Idee sorgt derzeit für hitzige Debatten. Angeführt wird diese kontroverse Forderung vom Landesintegrationsrat, der seit Jahren dafür plädiert, die Sprache der Heimatländer vieler Kinder stärker in den Schulunterricht zu integrieren. Schon 2019 äußerte sich der SPD-Politiker Tayfun Keltek, Vorsitzender des Integrationsrats, zu der Thematik und betonte, wie vorteilhaft es wäre, wenn deutsche Kinder auch Sprachen wie Türkisch, Russisch oder Polnisch lernen würden. Auf diese Weise könnten Kinder mit Migrationshintergrund mehr Zeit finden, um ihre Deutschkenntnisse zu vertiefen (Der Westen berichtete).
Doch der politische Gegenwind ist stark! Die Landtagsfraktionen von CDU, Grünen und FDP haben einen entsprechenden Antrag der SPD entschieden abgelehnt. In einem leidenschaftlichen offenen Brief betonte Keltek, dass das Ignorieren der Mehrsprachigkeit einen schweren strategischen Fehler darstelle. Mehrsprachigkeit sei kein Hindernis, sondern ein zu nutzendes Potenzial, vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und wachsender rechtspopulistischer Bewegungen.
Ein steiniger Weg: Mehrsprachigkeit in NRW
Ein Turbulenter Punkt dieser Diskussion ist die Sichtweise des Bildungsministeriums von NRW. Laut ihrer Stellungnahme bleibt Deutsch weiterhin oberste Priorität im Sprachunterricht. Die Schulleistungsstudien zeigen klar, dass viele Schüler in NRW Defizite im Bereich Lesen und Schreiben haben, was die Einführung einer allgemeinen Lesezeit im Unterricht erforderlich machte, um diese Basisfähigkeiten zu stärken. Zudem, so argumentiert das Ministerium, habe der herkunftssprachliche Unterricht in NRW Tradition und fördere bereits in mehr als 30 Sprachen die Integration. Dieser Unterricht ist ein zentraler Bestandteil des Bildungssystems und wird von etwa 1.000 Lehrkräften unterstützt – bundesweit eine beispiellose Maßnahme.
Der Integrationsrat im Kreuzfeuer der Kritik
Der Druck auf den NRW-Integrationsrat und insbesondere Tayfun Keltek wächst. Nicht nur wegen seines aktuellen Vorschlags steht er im Fokus der Kritik. Bereits 2012 sorgte Keltek für Kontroversen, als er Studien zu den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ für unnötig erachtete. Seiner Meinung nach sei die Gefahr durch türkische Rechtsextreme in Deutschland nicht signifikant. Diese Aussage führte besonders in Anbetracht leerer Kassen zu scharfer Kritik. Zudem ist Keltek bekannt als regelmäßiger Gesprächspartner der „Union Internationaler Demokraten“, einer Vereinigung, die in Deutschland als Lobbyorganisation für den türkischen Präsidenten Erdogan gilt. (Der Westen berichtete).
Auch aus bildungstechnischer Perspektive bekommt der Vorschlag Gegenwind. Laut RND wurde der Hintergrund deutlich beleuchtet. Sprachwissenschaftler argumentieren, dass Englisch als lingua franca weltweit unverzichtbar sei und das frühe Erlernen dieser Sprache die Chancen auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich steigere. Trotz der hitzigen Debatten bleibt abzuwarten, ob Keltek und seine Unterstützer mit ihrer Forderung noch Gehör finden werden.