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Schutzräume in Sachsen: Wo bleibt der Schutz für die Bürger?

Die Diskussion um den baulichen Bevölkerungsschutz in Deutschland gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022. Infolgedessen steht die Wiederaufrüstung der europäischen Regierungen im Fokus, wobei Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) darauf hinweist, dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Angesichts der sich verschlechternden transatlantischen Beziehungen zu den USA plant Europa umfassende Aufrüstungsmaßnahmen. Ein zentrales Thema hierbei ist der Schutz der Bevölkerung sowie die Bereitstellung öffentlicher Schutzräume.

Laut einer aktuellen Analyse des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) sind von ursprünglich 2000 öffentlichen Schutzräumen in Deutschland nur noch 579 vorhanden. Diese bestehenden Schutzräume sind jedoch „weder funktions- noch einsatzbereit“. In den Landkreisen Görlitz und Bautzen existieren keinerlei Schutzräume, da diese nach der Wiedervereinigung nicht in das Schutzraumkonzept übernommen wurden. In ganz Sachsen wurde dieses Konzept im Jahr 2007 in Friedenszeiten aufgegeben.

Neues Schutzraumkonzept in Planung

Das BKK arbeitet derzeit an einem neuen Schutzraumkonzept, das aufgrund der verschärften internationalen Bedrohungslage entwickelt wird. In der 221. Sitzung der Innenministerkonferenz im Juni 2024 verständigten sich Bund und Länder auf wesentliche Grundelemente eines nationalen Schutzraumkonzeptes. Die Erstellung des Plans erfolgt in einer spezialisierten Arbeitsgruppe mit Beteiligung der Länder. Ziel ist es, flächendeckend Selbstschutzräume zu schaffen sowie den Auf- und Abbau von Hausschutzräumen zu ermöglichen.

Ein besonderes Augenmerk wird auf die kurzfristige Einrichtung von Selbstschutzräumen gelegt, insbesondere in Kellern. Dazu sollen öffentliche Gebäude und private Immobilien erfasst werden, um als Zufluchtsorte genutzt werden zu können. Ein entsprechendes Verzeichnis dieser Schutzorte soll erstellt werden, das über Warn- oder Kartendienste abrufbar ist. Die Einführung einer App könnte zudem helfen, die nächstgelegenen Schutzorte anzuzeigen. Informationskampagnen sind geplant, um die Bevölkerung über die Bedeutung von Schutzräumen und möglichen Selbstschutzoptionen aufzuklären. Der Zeitrahmen für die Fertigstellung des neuen Konzepts ist jedoch noch unklar.

Historischer Kontext der Schutzräume

Historisch betrachtet wurden Hoch- und Tiefbunker während des Zweiten Weltkriegs bis in die 1980er Jahre als Luftschutzanlagen errichtet. In den alten Bundesländern gibt es aktuell rund 2000 öffentliche Schutzraumanlagen, deren Mehrheit sich in privateigentum sowie im Besitz von Städten und Gemeinden befindet. Diese Schutzräume sind größtenteils für eine kurzfristige Nutzung ausgelegt und nur begrenzt funktionsfähig.

Im Jahr 2007 entschloss sich der Bund, das Schutzbaukonzept aufzugeben, was zur Einstellung der funktionalen Erhaltung der Schutzräume führte. Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde das Bundesministerium des Innern jedoch aktiv und beauftragte eine Bestandsaufnahme aller öffentlich gewidmeten Schutzräume, die planmäßig Ende Mai 2023 abgeschlossen wurde. Zudem stellte ein Bericht der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) fest, dass eine Reaktivierung der Schutzräume grundsätzlich möglich sei, jedoch vom jeweiligen Schutzniveau abhängt.