
Die Schatten der Vergangenheit werfen lange Schatten auf die Gegenwart: Europas Rechte erstarkt und die Mahnungen verhallen.
Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz-Birkenau, das größte Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis, befreit. Schockierende 1,3 Millionen Menschen wurden zwischen 1940 und 1945 dorthin deportiert, und tragischerweise wurden 1,1 Millionen von ihnen ermordet. Heute, 80 Jahre später, stehen wir vor einer erschreckenden Realität: Die politischen Nachfolger der faschistischen Kräfte, die für den Holocaust verantwortlich waren, gewinnen an Macht und Einfluss in Europa.
Die europäischen Führer veröffentlichen zwar feierliche Erklärungen über den „zivilisatorischen Bruch“, den der Holocaust darstellt, und betonen die Notwendigkeit, „diesen Hass zu bekämpfen“. Doch viele dieser Worte scheinen in der politischen Realität Europas, in der die extreme Rechte floriert, leer zu sein. Die Frage drängt sich auf: Wie konnte es so weit kommen?
Ein gefährlicher Wandel
Über Jahrzehnte hinweg war die extreme Rechte in Europa ein Hort des offenen Antisemitismus. Figuren wie Jean-Marie Le Pen und Jörg Haider störten den politischen Konsens der Nachkriegszeit mit ihrer Holocaust-Leugnung. Sie waren lautstark in ihrem Hass, blieben jedoch am Rande des politischen Lebens. Doch die Zeiten haben sich geändert!
Mit dem Beginn des US-geführten „Kriegs gegen den Terror“ erlebte die extreme Rechte einen gefährlichen Wandel. Angeführt von Persönlichkeiten wie Geert Wilders, der sich als Verteidiger der westlichen Zivilisation gegen den neuen „Feind“ – die Muslime – inszenierte, begannen sie, Islamophobie als zentrales Element ihrer Rhetorik zu nutzen. Sie schürten Ängste vor Globalisierung und Einwanderung und bezeichneten muslimische Gemeinschaften als Bedrohung.
Diese gefährlichen Ideen fanden fruchtbaren Boden und führten zu einem besorgniserregenden Anstieg der extremen Rechten in Europa. Bei den Wahlen 2022 in Italien gewann Giorgia Meloni mit ihrer post-faschistischen Partei die Wahlen und wurde die erste far-right Ministerpräsidentin des Landes. In den Niederlanden wurde Wilders‘ Partei zur stärksten Kraft und bildete eine Koalitionsregierung. Und das ist erst der Anfang!
Die Normalisierung der extremen Rechten
Die Normalisierung der extremen Rechten hat dazu geführt, dass ihre Mitglieder nicht mehr zögern, ihre extremistischen Ideen offen zu teilen. In Österreich sprach die Freiheitliche Partei offen von „Remigration“ während ihres Wahlkampfs, während ein Mitglied der AfD einen „Srebrenica 2.0 in Deutschland“ forderte. Solche Äußerungen sind ein alarmierendes Zeichen für die Rückkehr von Ideologien, die einst zu den Gräueltaten des Holocaust führten.
Die Ideologien, die den Holocaust ermöglichten, sind nach wie vor in der europäischen Politik präsent. Der dramatische Anstieg der extremen Rechten und die Normalisierung von Rassismus und genocidalem Denken werfen einen langen Schatten auf die europäische Gesellschaft. Die Unterstützung einiger europäischer Länder für die Gewalt in Gaza und die Leugnung dieser Gräueltaten sind beunruhigende Indikatoren für die anhaltende Bedrohung.
Die feierlichen Erklärungen zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz klingen daher hohl. Achtzig Jahre nach dem Ende des Holocaust ist das Wiederaufleben der extremen Rechten eine erschreckende Erinnerung an die Fragilität des europäischen Engagements für „nie wieder“. Die Zeit ist gekommen, sich den dunklen Strömungen der Gegenwart zu stellen und die Lehren der Vergangenheit ernst zu nehmen.
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten sind die des Autors und spiegeln nicht unbedingt die redaktionelle Haltung von Al Jazeera wider.