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Eltern von kleinen Kindern stehen oft vor der Herausforderung, mit der Trotzphase ihrer Sprösslinge umzugehen. Kinder bis zu dreieinhalb Jahren zeigen in diesem Entwicklungsabschnitt ein impulsives Verhalten, wehren sich gegen Regeln und testen ihre Umwelt aus. Darüber sprach Eliane Retz, Pädagogin und systemische Beraterin, im Elternforum in der Stadtbibliothek Engen, wie Südkurier berichtete. Gemeinsam mit Christiane Stella Bongerz hat Retz das Buch „Wild Child“ veröffentlicht, das Eltern Impulse zur Konfliktlösung mit Kindern bis zu zehn Jahren bietet.
Die Veranstaltung war mit 65 Gästen schnell ausverkauft. Retz betonte, dass Kinder in der Trotzphase nicht manipulieren, sondern die Welt neugierig erkunden. Sie können Gefahren nicht richtig einschätzen, was häufig zu Konflikten führt. In dieser Phase streben Kinder nach Autonomie, müssen aber auch viel lernen und sind dabei besonders vertrauensvoll und emotional.
Umgang mit Wutausbrüchen
Wutausbrüche sind in dieser Entwicklungsphase normal und sollten nicht bewertet werden. Mit etwa 17 Monaten beginnt sich das Verhalten der Kinder zu verändern, da sie die Trennung von den Eltern erkennen. Retz empfiehlt, in der Autonomiephase den Kontakt zum Kind aufrechtzuerhalten. Wutausbrüche klingen in der Regel zwischen vier und viereinhalb Jahren ab, da Kinder dann bewusster werden und sich für ihr Verhalten schämen. Freche Antworten sollten positiv aufgenommen und nicht bestraft werden.
Die Herausforderungen gehen jedoch weiter. Im Grundschulalter treten neue Schwierigkeiten auf, besonders im Umgang mit Geschwistern. Eltern sollten auf die Gefühle ihrer Kinder eingehen, sie trösten und versuchen, sie zu verstehen. Ein bindungs- und autonomieorientierter Erziehungsstil ist nicht mit antiautoritärer Erziehung gleichzusetzen. Oft haben Kinder kein Mitspracherecht, was zu Motivationsmangel und Streit führen kann. Ab etwa neun Jahren verbessert sich die Situation, wenn Kinder in Entscheidungen einbezogen werden. Retz rät, die Ideen der Kinder anzuhören und verschiedene Meinungen auszudiskutieren, auch wenn dies anstrengend sein kann.
Die Herausforderungen der Trotzphase stellen auch für Eltern eine schwierige Situation dar, wie Pro Juventute hervorhebt. Eltern empfinden in solchen Momenten oft Anspannung oder Wut. Es wird empfohlen, Ruhe zu bewahren und hilfreiche Strategien wie tiefes Durchatmen oder kurze Distanz zur Situation zu nutzen. Ein anderer Elternteil kann einspringen und den Trotzanfall begleiten. Trotzen geschieht nicht absichtlich, um die Eltern zu ärgern; Kinder können sich in diesen Momenten oft nicht anders verhalten. Verständnisvolle Reaktionen auf Trotzanfälle sind besonders herausfordernd, wenn Eltern selbst erschöpft oder emotional geladen sind. Solche Trotzanfälle können auch in öffentlichen Räumen auftreten, was den Druck durch Zuschauer erhöht. Trotzen ist jedoch kein Zeichen schlechter Erziehung, sondern vielmehr ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung, bei dem Kinder auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind.