
Der Bund plant, den Zuschuss für die Behandlung traumatisierter Geflüchteter im Jahr 2025 um die Hälfte zu reduzieren, was in der Fachwelt auf scharfe Kritik stößt. Expertin Ulrike Schneck aus Baden-Württemberg weist darauf hin, dass diese Entscheidung in Anbetracht der jüngsten Attentate in Solingen und Aschaffenburg besonders alarmierend ist. Das psychosoziale Zentrum Refugio in Stuttgart bietet Unterstützung für Geflüchtete, die Krieg, Folter, Terror, Vertreibung und Gewalt erlebt haben.
Bei den Geflüchteten, die Hilfe bei Refugio suchen, treten häufig Symptome wie Schlafprobleme, Ängste sowie psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen und Rückenschmerzen auf. Über die Hälfte dieser Geflüchteten stammt aus Afghanistan; auch Menschen aus der Türkei, dem Irak, Kamerun, Nigeria, Syrien, dem Iran und der Ukraine suchen dort Unterstützung. Laut dem psychosozialen Versorgungsbericht 2023 haben 87 Prozent der geflüchteten Menschen in Deutschland traumatische Ereignisse erlebt, und etwa 30 Prozent leiden unter Traumafolgestörungen.
Aktuelle Entwicklungen in der psychotherapeutischen Versorgung
Trotz der hohen Zahl an Betroffenen ziehen nur rund drei Prozent der traumatisierten Personen in Deutschland die Hilfe von psychosozialen Zentren in Anspruch. Refugio Stuttgart behandelt jährlich durchschnittlich 130 traumatisierte Geflüchtete, zusätzlich etwa 100 in der Regionalstelle Tübingen. Afghanistan wird auch im Jahr 2024 eines der Hauptländer von Asylbewerbern bleiben, wobei viele dieser Menschen ein Leben in Unsicherheit verbracht haben.
Die Lage hat sich nach der Machtübernahme der Taliban weiter verschärft, wodurch afghanische Ortskräfte in Baden-Württemberg gefährdet sind und intensive psychologische Betreuung benötigen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg bestehen zwar Verfahren zur Erkennung psychischer Erkrankungen, jedoch mangelt es an Behandlungsmöglichkeiten und Fachpersonal. Während die Zahl der Asylantragsteller um 40 Prozent gesunken ist, bleibt sie dennoch auf hohem Niveau.
Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration hat ein Projekt zur Traumarehabilitation für Geflüchtete gestartet. Dieses Projekt befindet sich derzeit in der Pilotphase und wird mit 3,7 Millionen Euro gefördert. Zugleich wurde festgestellt, dass geflüchtete Personen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz in den ersten drei Jahren nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen erhalten. Akut suizidale oder aggressiv gefährdende Personen können meist nur eine kurzzeitige stationäre Behandlung in Anspruch nehmen. Die neun psychozentralen Stellen in Baden-Württemberg erhalten jährlich rund 2 Millionen Euro vom Land, ergänzt durch Spenden und Projektmittel. Es ist jedoch besorgniserregend, dass der Bund plant, die Mittel für die Versorgung traumatisierter Geflüchteter von 13 Millionen Euro auf 7 Millionen Euro zu kürzen. Ulrike Schneck fordert ein umfassendes Versorgungskonzept mit flächendeckenden Anlaufstellen und ausreichend Dolmetschern, um besser auf Krisensituationen reagieren zu können.
Zusätzlich zu den lokalen Herausforderungen zeigt die allgemeine Situation auf globaler Ebene, dass im Jahr 2022 weltweit 103 Millionen Menschen auf der Flucht waren, was einen Anstieg von 13,6 Millionen im Vergleich zum Vorjahr darstellt. In Deutschland gab es bis Ende Dezember 2022 244.132 Asylanträge, darunter über eine Million geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Studien zeigen, dass 30 bis 50 Prozent der geflüchteten Menschen eine Traumafolgestörung entwickeln, und eine frühzeitige psychotherapeutische Behandlung als entscheidend für die Integration und zur Vermeidung chronischer psychischer Erkrankungen gilt.
Allerdings herrscht auch in Deutschland ein Mangel an Psychotherapieplätzen, und Wartezeiten von mehreren Monaten sind keine Seltenheit. Begrenzte Gesundheitsleistungen in den ersten 18 Monaten schränken den Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen stark ein. Nach Ablauf dieser Frist erhalten Geflüchtete zwar erweiterte Gesundheitsleistungen, doch bleibt der Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung weiterhin schwierig. Sprachbarrieren erschweren zudem den Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen, da die Kosten für sprachliche Vermittlung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Das Ziel der Ampel-Koalition ist es, Sprachmittlung in medizinische Behandlungen zu integrieren. Jedoch beträgt der Versorgungsgrad für geflüchtete Menschen in Deutschland lediglich 4,6 Prozent. Vielseitige Initiativen wie die Gründung einer Gruppe zur ehrenamtlichen psychotherapeutischen Unterstützung für geflüchtete Menschen aus der Ukraine durch die Universität Witten/Herdecke und das Zentrum für Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum zeigen Ansatzmöglichkeiten auf, um die psychosoziale Versorgung zu verbessern. Aufgrund positiver Erfahrungen plant diese Universität ein langfristiges Projekt zur Optimierung der psychotherapeutischen Versorgung für geflüchtete Menschen im Regelsystem.