
Raffael W., ein 63-jähriger alleinstehender Mann aus Tuttlingen, hat seit Mitte 2022 insgesamt 275 Bewerbungsschreiben verschickt, wurde jedoch nur zu über 30 Vorstellungsgesprächen eingeladen und erhält hauptsächlich Absagen. Sein Jobverlust kam nach einem Wechsel in der Unternehmensleitung, was ihn in eine herausfordernde Situation brachte. Trotz intensiver Bemühungen, darunter die Zusammenarbeit mit einer Coachingagentur, bleibt der Erfolg bei der Jobsuche aus.
Raffael W. hat an seinen Anschreiben gearbeitet, Initiativbewerbungen verschickt und Kontakte angesprochen. Seine Betreuerin bei der Agentur für Arbeit, Salome Kaltenbach, lobt seinen Ideenreichtum und seine Motivation, während er gleichzeitig betont, dass er bis zu seinem 67. Lebensjahr arbeiten möchte. Der 63-Jährige will eine langfristige Anstellung finden, hat jedoch Schwierigkeiten, da ältere Arbeitnehmer gemäß den Aussagen von Elena Niggemann, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Rottweil, ein geringeres Risiko haben, arbeitslos zu werden, jedoch höhere Hürden bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erwarten müssen.
Erfahrungen weiterer Arbeitnehmer
Ähnlich ergeht es Markus Gensior, einem 62-jährigen Mann, der rund 200 Bewerbungen geschrieben hat, jedoch nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Trotz seiner 20-jährigen Führungserfahrung und zweier Bachelor-Abschlüsse ist er überzeugt, dass sein Alter der Grund für seine Schwierigkeiten bei der Jobsuche ist, da Unternehmen jüngeren Bewerbern den Vorzug geben.
Die Maßnahmen des Arbeitsamts für Raffael W. enden im Mai 2025. Danach könnte er in Rente gehen, was jedoch mit hohen Abschlägen verbunden wäre. Alternativen für ihn wären körperlich herausfordernde Berufe, wie eine Rückkehr zum Lkw-Fahren oder eine Tätigkeit im Straßenbau. Im Landkreis Tuttlingen sind 25% der Beschäftigten 55 Jahre oder älter, wobei die Beschäftigungsquote dieser Gruppe bei 61,3% liegt, was über dem Bundesschnitt von 55,9% liegt.
Die Arbeitslosenquote im Kreis Tuttlingen lag 2024 im Jahresschnitt bei 3.690 Arbeitslosen, was einen Anstieg von 11,6% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Im Gegensatz dazu betrug der Anstieg bei Arbeitslosen über 55 Jahren nur 5,6%. Niggemann appelliert an die Unternehmen, ältere Arbeitnehmer für offene Stellen zu berücksichtigen und deren Beschäftigungsfähigkeit durch Qualifizierung und Präventionsmaßnahmen zu fördern.
Die Problematik der Altersdiskriminierung ist kein Einzelfall. In Deutschland haben viele ältere Arbeitnehmer, wie die 61-jährige Dorothee, die seit einem Jahr nach einer betriebsbedingten Kündigung auf Jobsuche ist, ähnliche Erfahrungen gemacht. Trotz ihrer 35 Jahre Erfahrung in der Marketing- und Strategie-Beratung hat sie nicht einen einzigen positiven Rücklauf auf ihre Bewerbungen erhalten. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit für über 50-Jährige beträgt 100 Tage länger als für Jüngere. Dies verdeutlicht, dass Vorurteile der Arbeitgeber gegenüber älteren Mitarbeitern oft ein signifikantes Hindernis darstellen.
Zusätzlich wird in diesem Kontext auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei der Vorauswahl von Bewerbungen hingewiesen, welche ältere Bewerber häufig ausschließt. Innerhalb eines Jahres haben in Hamburg nur 10,9% der über 50-Jährigen eine neue Anstellung gefunden. Es wird empfohlen, dass Arbeitgeber ihre Altersbilder überprüfen, da viele ältere Arbeitnehmer ausdauernd, gut ausgebildet sind und seltener den Job wechseln. Dorothee plant, ihre Suche nach einer neuen Anstellung fortzusetzen und glaubt, dass ihre Erfahrung für jüngere Teams von Wert sein könnte.