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Vergessene Spuren: Der jüdische Friedhof von Haigerloch erzählt Geschichte

Jüdische Friedhöfe sind im Judentum als „Häuser der Ewigkeit“ bekannt, im Gegensatz zu den christlichen Gepflogenheiten, bei denen Grabstätten nach 20 bis 25 Jahren abgeräumt werden. Im Jahr 2025 leben weniger als 10.000 Juden in Baden-Württemberg. Nach der Vertreibung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten ab 1933 siedelten sich jüdische Gemeinden langsam wieder an. An einem Gedenkstein auf einem Friedhof wird der vertriebenen und ermordeten Juden während der Nazi-Herrschaft gedacht.

Die Reichskristallnacht am 9. November 1938 führte zu brutalen Ausschreitungen gegen Juden, auch in Haigerloch, wo zu dieser Zeit fast 200 Juden lebten. In Haigerloch wurden die Synagoge, die Schule und eine Gastwirtschaft demoliert, zahlreiche Juden misshandelt und in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Angehörige der SA aus Sulz am Neckar wurden gezielt für die gewalttätigen Übergriffe nach Haigerloch gebracht. Anfang der 1940er Jahre wurden die verbliebenen Juden aus Haigerloch in den Osten deportiert, wobei nur elf von ihnen nach dem Krieg zurückkehrten.

Historische Hintergründe der jüdischen Gemeinde in Haigerloch

Die jüdische Gemeinde in Haigerloch hat ihre Wurzeln im 17. Jahrhundert, als Fürst Meinrad I. Schutzbriefe an Juden erteilte. Diese waren verpflichtet, jährlich 16 Gulden an den Fürsten zu zahlen und unentgeltlich Pferde für Reisen nach Sigmaringen zur Verfügung zu stellen. Bereits im 18. Jahrhundert kam es zu antisemitischen Bestrebungen, und ein Heiratsverbot unter Juden wurde im Jahr 1749 erlassen. Juden waren zudem verpflichtet, regelmäßig an einem christlichen Gottesdienst teilzunehmen.

Der Stadtteil „Haag“ entwickelte sich ab 1780 zu einem jüdischen Ghetto, in dem Mitte des 19. Jahrhunderts über 300 Juden lebten. Eine Synagoge und eine israelitische Volksschule wurden errichtet, und der jüdische Friedhof wurde 1803 angelegt. Mit der Einführung staatsbürgerlicher Rechte für Juden im Jahr 1837 durften sie Gewerbe betreiben und fühlten sich bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten als Deutsche.

Der jüdische Friedhof in Haigerloch ist heute ein besuchbarer Ort, wobei viele Grabsteine stark verwittert und unleserlich geworden sind. Die ehemalige Synagoge, die nach dem Krieg zwischenzeitlich als Kino und Supermarkt genutzt wurde, wurde restauriert und beherbergt nun ein kleines jüdisches Museum. Die jüdischen Friedhöfe in Haigerloch sind nach dem Krieg vernachlässigt worden und sind gegenwärtig in einem ruinösen Zustand.

Die Ausschreitungen der Reichskristallnacht sind als historisch entscheidend einzustufen. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden in Deutschland etwa 400 Synagogen in Brand gesteckt oder demoliert, jüdische Wohnungen und Geschäfte verwüstet, und rund 100 Juden wurden ermordet. Circa 30.000 jüdische Männer wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Ebenso wurden die Ereignisse von der nationalsozialistischen Führung als „Judenaktion“ oder „Aktion gegen die Juden“ propagiert und gingen als Kristallnacht in die Geschichte ein. Mehr über diese Ereignisse wird in einem Artikel der bpb erläutert.