
Die Arbeitsbelastung am Amtsgericht Gießen ist im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr angestiegen, insbesondere bei Angestellten des mittleren Dienstes. Laut dem scheidenden Vizepräsidenten des Amtsgerichts, Dietrich-Claus Becker, bleibe die Verfahrensdauer am Gericht jedoch vergleichsweise kurz. Becker wird Ende Mai 2025 zum Landgericht Gießen wechseln und betont die Bedeutung der Justiz für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.
Die Mitarbeitenden der Justiz sind zunehmend Aggressionen und Respektlosigkeiten ausgesetzt, oft in Form von Beleidigungen oder Bedrohungen. Becker fordert, dass der Gerichtssaal als unemotionaler Raum für Argumente geschützt werden muss. Im vergangenen Jahr hat sich die durchschnittliche Belastung im mittleren Dienst von 117 Prozent auf 122 Prozent erhöht. Dadurch kommt es zu Verzögerungen in Entscheidungsprozessen.
Verfahrensdauer und Ausbildung am Amtsgericht
Die durchschnittliche Verfahrensdauer am Amtsgericht Gießen hat sich folgendermaßen entwickelt: Zivilsachen dauern im Schnitt 6,7 Monate (2023: 7 Monate), während Strafrichtersachen unverändert 7,5 Monate in Anspruch nehmen. Schöffengerichtsverfahren bei Erwachsenen haben sich von 7,6 auf 8,8 Monate verlängert, und Jugendrichtersachen benötigen nun 6,5 Monate (2023: 7 Monate). Bei Familienstreitigkeiten beträgt die Verfahrensdauer 7,3 Monate (2023: 6,3 Monate), und Bußgeldverfahren dauern im Durchschnitt 4,5 Monate (2023: 4 Monate).
Von den 81 Personen, die am Amtsgericht Gießen in Ausbildung sind, befinden sich insgesamt knapp 50 Auszubildende in der Ausbildung zum Justizfachangestellten. Sechs Auszubildende, die 2024 ihre Abschlussprüfung bestanden, wurden weiterbeschäftigt, während andere neu bei verschiedenen Gerichten oder Staatsanwaltschaften untergekommen sind. Das Amtsgericht hat zudem 31 Plätze zur Ausbildung zum Diplom-Rechtspfleger sowie Möglichkeiten für die Ausbildung von Anwärtern für den mittleren Beamtendienst geschaffen.
Die Implementierung der elektronischen Akte (eAkte) wurde in den Sachgebieten Insolvenz und Zivilprozess erfolgreich durchgeführt und soll in weiteren Bereichen wie Familienrecht und Zwangsvollstreckung angewendet werden. Diese Entwicklung zielt darauf ab, schnellere Entscheidungswege und eine erhöhte Flexibilität im Arbeiten zu ermöglichen.
Becker stellte auch fest, dass es am Amtsgericht Gießen derzeit keine vakanten Stellen im Bereich der Rechtspfleger gibt. Die hohe Belastung wird vor allem durch altersbedingte Abgänge und unbesetzte Stellen verursacht. Trotz der Herausforderungen bleibt das Amtsgericht Gießen ein anerkanntes Ausbildungszentrum in der hessischen Justiz und setzt auf organisatorische Veränderungen sowie die Schaffung neuer Stellen zur Entlastung der Mitarbeitenden.
Becker warnte, dass das Amtsgericht sich nicht von Anfeindungen, die teilweise aus dem Bereich des Reichsbürgermilieus stammen, einschüchtern lassen werde. Bei Grenzüberschreitungen wird das Amtsgericht Strafanzeigen erstatten, um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.