
Die Bundestagswahl in Berlin hat für große Aufmerksamkeit gesorgt, insbesondere aufgrund der spannenden Ergebnisse im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. In mehreren Wahlbezirken, darunter Tempelhof-Schöneberg, mussten Stimmen nachgezählt werden, da der Abstand zwischen dem Grünen-Kandidaten Moritz Heuberger und dem CDU-Kandidaten Jan-Marco Luczak äußerst knapp war. Insgesamt wurden elf Wahllokale neu ausgezählt, was schließlich den Ausgang der Wahl beeinflusste.
Nach den Nachzählungen konnte Moritz Heuberger von den Grünen seinen Vorsprung vergrößern und hat nun 66 Stimmen mehr als Luczak. Heuberger errang 45.639 Erststimmen, was einem Anteil von 24,7 Prozent entspricht. Jan-Marco Luczak von der CDU erhielt 45.573 Erststimmen, was 24,6 Prozent entspricht, und wird über die Liste in den Bundestag einziehen. Trotz seines knappen Rückstands forderte Luczak eine vollständige Neubewertung des gesamten Wahlkreises, der rund 186.000 Stimmen umfasst. Ein entsprechender Antrag auf eine neue Auszählung wurde jedoch von den Vertretern der Grünen, der SPD und der Kreiswahlleiterin Janet Schütz abgelehnt.
Fehler bei der Auszählung
Schütz erklärte, dass eine neue Auszählung nur dann erfolgen könne, wenn konkrete Hinweise auf Fehler vorliegen, was hier nicht der Fall sei. Diese Nachzählungen wiesen zwar einige Fehler auf, diese hielten sich jedoch in Grenzen. So wurden beispielsweise 38 Stimmen der Linken fälschlicherweise der FDP zugeordnet und eine Stimme der CDU irrigerweise der AfD zugewiesen.
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg zeigt sich politisch gespalten: Während die Innenstadt (Schöneberg) tendenziell rot-grün wählt, neigen die südlicheren Stadtteile wie Mariendorf, Marienfelde und Lichtenrade eher zur CDU. In Lichtenrade leben viele alteingesessene Familien, die jedoch zunehmend mit Überalterung zu kämpfen haben. Zudem ist die Bevölkerungsstruktur in den südlichen Ortsteilen heterogen, charakterisiert durch Einfamilienhausquartiere, große Wohnsiedlungen mit sozialen Herausforderungen sowie Gewerbegebiete und ländliche Atmosphären um alte Dorfkirchen.
In Schöneberg hingegen präsentiert sich urbanes Leben mit einer lebendigen LGBTI-Szene am Nollendorfplatz, Einkaufsmöglichkeiten am Wittenbergplatz, dem berühmten Kaufhaus des Westens (KaDeWe) und Bildungsbürgertum in Friedenau. Der Akazienkiez wird von Gentrifizierungstendenzen und der Verdrängung einkommensschwacher Bewohner geprägt. Der Bereich „Rote Insel“, einst ein Arbeiterviertel, erfreut sich zunehmender Beliebtheit und wählt immer häufiger grün. Die Tempelhofer Freiheit hingegen verbindet die beiden Bezirksregionen und wird von Bewohnern beider Seiten genutzt.
Während sich Jan-Marco Luczak (CDU) als Favorit für den dritten Gewinn seines Wahlkreises erweist, könnte Renate Künast (Grüne), die derzeit auf Platz drei der Landesliste steht, Schwierigkeiten haben, wieder in den Bundestag einzuziehen. Mechthild Rawert (SPD) ist auf der Landesliste gut platziert und hat in der Vergangenheit bereits Direktmandate gewonnen. Das Wahlverhalten im Bezirk erweist sich als unregelmäßig; bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 lag die SPD mit 24,9 Prozent vor der CDU, 2017 hatte allerdings die CDU vier Prozentpunkte mehr als die SPD.
Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) kam durch eine rot-grüne Zählgemeinschaft ins Amt. Der Wahlkampf in diesem Jahr war wenig außergewöhnlich, wobei Luczak prominent auf Sichtplakaten vertreten war. Rawert setzte auf soziale Medien und weitere Werbemittel, während Künast defensiv in ihrer Kampagne agierte.