Gesetze

Polizeigewalt im Fokus: Ungleiche Strafen erschüttern die Gesellschaft!

Interaktionen mit der Polizei können bereits bei geringer Körperspannung als Widerstand oder Angriff gewertet werden. Dies hat weitreichende Folgen, insbesondere für Personen, die im Zuge von Demonstrationen angeklagt werden. Demonstrierende erhalten häufig den Vorwurf des „aktiven Sperrens“, was zu ernsthaften Anklagen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte führen kann. Opfer von Polizeigewalt, die Anzeige erstatten, sehen sich oft mit Gegenanzeigen von Polizist*innen konfrontiert. Diese Situation führt dazu, dass viele Anwält*innen von solchen Anzeigen abraten. Eine Gegenanzeige wegen „tätlichem Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten“ kann mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis geahndet werden, und nahezu alle derartigen Fälle landen vor Gericht.

In neun deutschen Bundesländern gibt es interne Vorschriften, die mutmaßliche Gewalt gegen Polizist*innen härter verfolgen als Fälle von Polizeigewalt gegen Bürger*innen. Eine Rundverfügung des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2021 besagt, dass bei Straftaten gegen Polizist*innen eine Einstellung nach den Paragrafen 153 oder 153a der Strafprozessordnung „regelmäßig nicht in Betracht“ kommt. Ähnliche Regelungen existieren auch in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen, Sachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Das Justizministerium NRW argumentiert, diese Regelung schütze Personen mit besonderem gesellschaftlichem Engagement, wie Polizist*innen, Feuerwehrleute und Journalist*innen. Allerdings bezeichnet Kriminologe Tobias Singelnstein diese Regelung als „hochproblematisch“ und weist auf die Schwierigkeiten hin, Täter und Opfer in Auseinandersetzungen eindeutig zu identifizieren. Auch der Strafverteidiger Lukas Theune kritisiert, dass durch diese Regelung de facto ein Sonderstrafrecht geschaffen wird.

Ungleichheit im Umgang mit Polizeigewalt

Die ungleiche Behandlung von Polizeigewalt wird von zivilgesellschaftlichen Initiativen bemängelt, die mehr Transparenz fordern. Zudem ist die Rundverfügung des Justizministeriums NRW nicht öffentlich zugänglich, was die Verteidigung von Mandant*innen erheblich erschwert. Die Intransparenz wird von dem Ministerium jedoch mit dem Ziel begründet, Straftaten zu verhindern.

Ein aktuelles Beispiel für rechtliche Auseinandersetzungen im Kontext mit der Polizei zeigt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). In einem Fall wurde ein Mann, der mit einem nicht haftpflichtversicherten Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis fuhr, von Polizeibeamten kontrolliert. Nach einem Verstoß gegen die Gurtpflicht versuchte der Mann zu fliehen und gefährdete dabei Fußgänger. Obwohl er schließlich anhielt, setzte er sein Fahrzeug zurück und berührte die geöffnete Beifahrertür eines Beamten, was als Widerstand gewertet werden könnte.

Die rechtliche Bewertung ergab, dass das Zurücksetzen in Richtung des Beamten möglicherweise unter Widerstand fällt; aber es konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Mann den Fuß des Beamten wahrgenommen hatte. Daher stellte das Gericht fest, dass der Beschuldigte sich nicht wegen Widerstands strafbar gemacht hatte. Hingegen wurde er wegen Nötigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und der Nutzung eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs verurteilt.

In dem Urteil wurde auch klargestellt, dass eine Flucht vor der Polizei nicht strafschärfend gewertet werden darf, es sei denn, es entsteht neues Unrecht. Das Urteil des BGH hob die Verurteilung wegen Widerstands auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück, was die Relevanz von § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) verdeutlicht.