GesetzePolitik

Schwedisches Gesetz kriminalisiert Online-Sexarbeit: Experten warnen!

In Schweden plant die konservativ-rechte Regierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson ein Gesetz, das das Bezahlen für sexuelle Dienstleistungen über Distanz, wie Webcam-Shows, unter Strafe stellt. Der Entwurf wurde ins Parlament eingebracht, das voraussichtlich nächste Woche darüber abstimmen wird. Mit diesem Gesetz wird das seit den 1990er Jahren geltende „Schwedische Modell“ erweitert, welches Sexarbeit selbst straffrei stellt, jedoch die Kund:innen kriminalisiert.

Laut dem Entwurf macht sich strafbar, wer eine Person dazu verleitet, eine sexuelle Handlung gegen Entgelt vorzunehmen oder zu dulden. Zuschauen beim Ausziehen vor der Kamera und der Kauf von Porno-Filmen bleiben jedoch erlaubt. Yigit Aydin, Experte für Digitalrechte bei der European Sex Workers’ Rights Alliance (ESWA), äußert Bedenken über die negativen Folgen des Gesetzes für Sexarbeiter:innen und die digitale Sexarbeit. Aydin argumentiert, dass das Gesetz die Sicherheit von Sexarbeiter:innen gefährdet und sie in unsichere Arbeitsverhältnisse drängt.

Internationale Auswirkungen und Proteste

Einige Sexarbeiter:innen haben bereits angekündigt, das Land zu verlassen, sollte das Gesetz in Kraft treten. Experten warnen davor, dass das Gesetz internationale Auswirkungen haben könnte, da Plattformen wie OnlyFans Nutzer:innen in Schweden sperren könnten, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Aydin befürchtet zudem, dass das Gesetz zu verstärkter digitaler Überwachung und Zensur führen wird.

Das geplante Gesetz ähnelt dem US-amerikanischen SESTA/FOSTA-Gesetz, das ebenfalls Plattformen bestraft, die Sexarbeit ermöglichen. Aydin betont, dass das schwedische Gesetz einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte, indem es die Kriminalisierung von Kund:innen auf digitale sexuelle Handlungen ausweitet. Die ESWA hat eine Kampagne gestartet, die von über 1.500 Organisationen und Experten weltweit unterstützt wird, um das Gesetz abzulehnen.

Seit den 90er Jahren kämpfen Sexarbeiter*innen und Sexwork-Organisationen gegen die „Anti-Menschenhandel-Industrie“. Gegner*innen der Sexarbeit vertreten konservative Standpunkte zu Sexarbeit, Strafjustiz und Grenzkontrolle und sehen Sexarbeit als Gewalt gegen Frauen. Ein Bericht von „Sex Workers Organising for Change“ zeigt, dass die Verbindung von Menschenhandel und Sexarbeit oft von außen kommt und durch eine moralische Agenda motiviert ist.

Stereotype Darstellungen von Sexarbeiter*innen, insbesondere Migrant*innen, beinhalten das Bild des hilflosen Opfers, das zur Prostitution gezwungen wird. Diese Darstellungen verankern rassistische Erzählungen und sprechen Betroffenen Entscheidungsmacht ab. Sexarbeit wird häufig mit Menschenhandel vermischt, ohne strukturelle Ungleichheiten zu berücksichtigen. Eine Studie von Vuolajärvi (2018) zeigt, dass Migrant*innen unter kriminalisierenden Gesetzen leiden, was ihre Arbeitsbedingungen erschwert und sie der Abschiebung aussetzt.

Sexarbeiterorganisationen unterstützen gezielt migrantische Sexarbeiter*innen, die mit Rassismus, Prekarität, mangelndem Zugang zu Diensten und Gewalt konfrontiert sind. Amnesty International unterscheidet zwischen Sexarbeit und Menschenhandel, wobei die freiwillige und fortlaufende Zustimmung der betreffenden Person entscheidend ist. Zustimmung zum Sex bedeutet nicht Zustimmung zur Gewalt; Sexarbeiter*innen haben das Recht, ihre Zustimmung jederzeit zu ändern oder zu widerrufen.

Problematische Annahmen über die Konsensfähigkeit von Sexarbeiter*innen existieren sowohl in Behörden als auch unter Kunden. Diese Annahmen führen zu Verletzungen der Menschenrechte von Sexarbeitern, insbesondere ihrer Sicherheit und ihres Zugangs zur Justiz. Es gibt zahlreiche Studien zu den negativen Auswirkungen von Diskursen und Gesetzen zur Bekämpfung des Menschenhandels auf Sexarbeiter-Communities. Die Forderung nach Entkriminalisierung der Sexarbeit wird von verschiedenen Organisationen und Fachleuten unterstützt.

Weitere Informationen finden Sie unter netzpolitik.org und berufsverband-sexarbeit.de.