
Marina Kandt hat einen Schreibklub initiiert, um der wachsenden Nachrichtenmüdigkeit entgegenzuwirken, die durch eine Flut negativer Berichterstattung verursacht wird. In diesem Rahmen arbeitet sie an der Frühlingsausgabe mit dem Titel „Guten Gedanken im Frühling“. Kandt nutzt dafür Skalpelle, Stifte und ein Zeichentablett, um die Broschüren persönlich zu gestalten und zu binden. Inspiriert wurde sie zu diesem Projekt durch einen Podcast über kreatives Schreiben in einer Phase, als sie sich während der Pandemie isoliert fühlte und nach einem sinnvollen Tätigkeitsfeld suchte.
Der Schreibklub setzt sich aus Kandt und drei weiteren Frauen zusammen, die überwiegend allein schreiben und über eine WhatsApp-Gruppe kommunizieren. Jelena Schur, eine der Teilnehmerinnen, beschreibt sich selbst als „nachrichtensüchtig“ und räumt ein, dass sie Schwierigkeiten hat, ihren Medienkonsum zu regulieren. Stephanie Geise, Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaften, thematisiert in diesem Kontext die Auswirkungen von Nachrichtenmüdigkeit auf die Gesellschaft. Sie erklärt, dass diese zu kognitiver Überlastung und emotionaler Erschöpfung führt, was schließlich dazu führt, dass Menschen sich von Nachrichten abwenden. Kandt und Schur versuchen, in ihren Geschichten positive Gedanken hervorzuheben, um einen Ausgleich zu schaffen. Das Frühjahrsheft endet humorvoll mit einem Aufruf nach einem „Osterhasen“. Geise empfiehlt zudem, Push-Benachrichtigungen abzuschalten und den Nachrichtenkonsum generell zu regulieren, um Stress zu vermeiden. Dabei betont sie die Bedeutung, informiert zu bleiben, um an demokratischen Prozessen teilnehmen zu können. Kandt hat eine Ausbildung zur Schifffahrtskauffrau absolviert und studiert mittlerweile Lehramt. Der Schreibklub hat bereits ein erstes Heft mit Gedichten und Erzählungen veröffentlicht, das an Familie und Freunde verschenkt wurde.
Aktuelle Studien zu Nachrichtenmüdigkeit
Medienwissenschaftler Süss hebt hervor, dass die Informationsaufnahme durch das Internet revolutioniert wurde, was zu einer Überflutung von Informationen führt. Social Media vermischt seriöse und unseriöse Inhalte, was zu einem allgemeinen Misstrauen gegenüber Informationen beiträgt. Der „confirmation bias“ führt dazu, dass Menschen vorwiegend Informationen konsumieren, die ihre eigenen Meinungen bestätigen. Dies wird durch die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne, bedingt durch Plattformen wie TikTok, verstärkt, was wiederum ein Gefühl der Hilflosigkeit erzeugen kann. Süss betont zudem die Relevanz von konstruktivem Journalismus, der Lösungen präsentiert, um das Gefühl der Ohnmacht zu mindern, und rät Medienkonsumenten, informiert zu bleiben, aber auch Nachrichtenpausen einzuplanen, um negativen Spiralen entgegenzuwirken. Laut seiner Einschätzung ist es wichtig, dass Journalisten nicht nur über Ereignisse berichten, sondern auch die Akteure zu Wort kommen lassen, die aktiv an Lösungen arbeiten.