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Die kalte Progression, ein oft übersehener Effekt im deutschen Steuersystem, bringt aktuellen Diskussionen um die Steuerbelastungen in der Bundesrepublik neue Brisanz. Die frühere Ampel-Regierung hatte ein umfassendes Steuerpaket angekündigt, um die negativen Auswirkungen der kalten Progression abzumildern. Dies geschah vor dem Hintergrund der gestiegenen Inflation, die im Jahr 2022 durch die Energiepreiskrise infolge des Ukraine-Kriegs in die Höhe schoss. Die Inflationsrate erreichte fast neun Prozent, was zu einem Anstieg der Steuerlast führte.
Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, wurde den Steuerzahlern im Jahr 2022 eine Belastung von 10,9 Milliarden Euro auferlegt. Besonders auffällig ist die progressive Besteuerung in Deutschland, die dazu führt, dass Lohnerhöhungen durch Inflation und Steueranpassungen stark gemindert werden. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein alleinstehender Steuerpflichtiger in Steuerklasse I, der ein Bruttoeinkommen von 3.500 Euro hat und eine Gehaltserhöhung von drei Prozent erhält, behält nach Steuern lediglich 57,43 Euro netto – trotz der nominalen Erhöhung von 105 Euro.
Steuerbelastungen und Ausgleichsmaßnahmen
Die kalte Progression wird nicht nur für Einzelpersonen problematisch, sondern betrifft auch Familien und Alleinerziehende, die im Vergleich zu ihrem realen Einkommenszuwachs zunehmend höher besteuert werden. Berechnungen des ifo Instituts legen nahe, dass auch im Jahr 2025 die meisten Arbeitnehmer weniger Geld in der Tasche haben werden. Insbesondere Familien und Alleinerziehende müssen mit einer Mehrbelastung rechnen: Ein Single mit einem Bruttoeinkommen von 100.000 Euro wird 863 Euro mehr zahlen müssen, eine Familie mit 130.000 Euro steht vor einer zusätzlichen Belastung von 731 Euro, während Alleinerziehende mit 70.000 Euro 568 Euro weniger zahlen sollten.
Der Bundestag hat nun den sechsten Steuerprogressionsbericht der Bundesregierung erhalten, wie Bundestag.de berichtet. Dieser Bericht ist von zentraler Bedeutung, um die Auswirkungen der kalten Progression auszugleichen. Er zeigt, dass circa 35,1 Millionen Steuerpflichtige im Jahr 2024 betroffen sein werden, mit einer durchschnittlichen Belastung von rund 273 Euro. Der Bericht beziffert die Auswirkungen der kalten Progression auf 9,6 Milliarden Euro für 2024 und 7,9 Milliarden Euro für 2025.
Bereits im Dezember 2022 wurde das Inflationsausgleichsgesetz verabschiedet, um die Tarifstruktur in der Einkommensteuer für die Jahre 2023 und 2024 anzupassen. Für die zukünftige Entlastung sieht das Steuerfortentwicklungsgesetz ebenfalls eine Regulierung der kalten Progression vor. Bundesfinanzminister Christian Lindner fordert, basierend auf den neuen Daten, eine höhere Entlastung für die Bürger, um die finanziellen Klippen, die durch die kalte Progression entstehen, abzufedern.