
In Berlin-Kreuzberg wurden am Samstag drei Personen, darunter Jörg Reichel, der Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Union Berlin-Brandenburg (dju), von Israelfeinden angegriffen. Der Vorfall ereignete sich in einem Café am Kottbusser Tor, kurz bevor eine Demonstration mit dem Titel „Internationaler feministischer Kampftag“ begann. Yalcin Askin, Journalist für das Jüdische Forum für Demokratie und Antisemitismus (JFDA), wurde von den Angreifern, die überwiegend aus Frauen bestanden, festgehalten und geschlagen. Jörg Reichel konnte sich aus der Situation befreien und die Polizei alarmieren.
Während der Demonstration wurde Levi Salomon, Geschäftsführer des JFDA, mit heißem Tee überschüttet, erlitt jedoch keine Verbrennungen. Reichel berichtete, dass Übergriffe auch psychologische Auswirkungen hätten und erklärte, dass die Gruppe in das Café gegangen sei, um die Pressefreiheit zu dokumentieren. Besonders auffällig war, dass der Angriff als qualitativ neu beschrieben wurde, da er in einem geschützten Raum stattfand, was die Situation weiter verschärfte. Gäste des Cafés solidarisierten sich mit den Angreifern, als diese Reichel und Askin als „Zionisten“ bezeichneten.
Steigende Gewalttaten und Antisemitismus
Die Polizei hatte zunächst Schwierigkeiten, aufgrund der Besetzung des Cafés einzugreifen, musste Verstärkung anfordern, die nach etwa fünf Minuten eintraf. Währenddessen floh die Haupttäterin vor dem Eintreffen der Polizei, andere Angreifer blieben jedoch vor Ort. Die Polizei sicherte die Aufnahmen der Sicherheitskamera aus dem Café. Reichel warnte, dass Journalisten seit dem 7. Oktober 2023 in bestimmten Stadtteilen mit Übergriffen rechnen müssten, insbesondere in Kreuzberg, Friedrichshain, Neukölln und Wedding. Er empfahl Journalisten, nicht allein zu berichten und den Kontakt zu anderen Journalisten sowie zur Polizei zu suchen, und forderte eine bessere Ausstattung der Justiz für schnellere Ermittlungen gegen Gewalttäter.
Diese Vorfälle stehen im Kontext eines stark steigenden Antisemitismus in Deutschland, insbesondere nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Laut dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) wurden im Jahr 2023 insgesamt 4.782 antisemitische Vorfälle dokumentiert, was einem Anstieg von 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Mehr als die Hälfte dieser Vorfälle ereignete sich nach dem 7. Oktober 2023. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) berichtet von einer zunehmenden Radikalisierung der Pro-Palästina-Szene. Besorgniserregend ist, dass Journalisten geraten wird, nicht allein zu Palästina-Veranstaltungen zu gehen. So wurde Journalist Iman Sefati nach seiner Berichterstattung über israelfeindliche Demonstrationen in Berlin mit einem Messer bedroht. Seit dem 7. Oktober 2023 hat der DJV über 48 Angriffe auf Journalisten aus der Pro-Palästina-Szene dokumentiert, 42 davon in Berlin.
Zusätzlich gab es in der Hauptstadt Sachbeschädigungen an Medienhäusern sowie körperliche Angriffe auf Journalisten. Zudem erhielt der „Tagesspiegel“-Redakteur Sebastian Leber Morddrohungen aufgrund seiner Kritik an den Protesten. Auch Politiker, wie der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft, wurden angegriffen und bedroht. FDP-Politikerin Karoline Preisler berichtete von wiederholten Angriffen und Bedrohungen während ihrer Protestaktionen. Auf Pro-Palästina-Demonstrationen ist offener Antisemitismus und Terrorverherrlichung mittlerweile häufig anzutreffen, und Nikolas Lelle von der Amadeu-Antonio-Stiftung hebt die Radikalisierung der Szene seit dem 7. Oktober hervor. Gleichzeitig berichten jüdische Restaurants in Deutschland von Einnahmeverlusten und Drohungen sowie einem hohen Bedarf an Polizeischutz.